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hethitische Kunst
hethitische Kunst,
 
die Kunst Anatoliens seit der frühen Bronzezeit oder - enger gefasst - seit der Fassbarkeit der Hethiter (um 1800 bis etwa 700 v. Chr.). Dabei ergibt sich die Gliederung in die Kunst der Karumzeit (benannt nach der Bezeichnung Karum für die assyrische Handelsniederlassungen, 1820-1715), die Kunst der Zwischenzeit (etwa 1700-1500), die Kunst der Zeit des hethitischen Großreiches (etwa 1570-1200) und die Kunst der Zeit der späthethitischen Kleinkönigtümer (etwa 1200-700 v. Chr.). Zahlreiche spätere materielle Zeugnisse wurzeln deutlich in der Karumzeit im südlichen Inneranatolien und in der frühen Bronzezeit im nördlichen Inneranatolien. Besonders die Bronzeaufsätze aus Alaca Hüyük oder auch Horoztepe stehen der späteren hethitischen Bronzeplastik nahe. Aus der Karumzeit sind Palastanlagen aus Acem Hüyük (südöstlich vom Tuz Gölu), Karahüyük (bei Konya) und Kültepe (Kanisch) bekannt. Hochwertige Keramikprodukte wie bemalte Gefäße, zweihenklige Becher und eine in ihren Wurzeln weit zurückreichende rotbraune, hochpolierte Ware mit scharfkantigen Formen (Schnabelkannen) kennzeichnen das Handwerk, gegen Ende der Karumzeit auch Elfenbeinarbeiten. In der Siegelkunst verschmolzen mesopotamisch-syrische mit einheimischen Elementen zu einem neuen Stil (Kanisch). Der Denkmälerbestand der Zwischenzeit stammt aus dem nördlichen Inneranatolien. Einige Reliefgefäße verweisen auf eine weitere Verbreitung dieser Gattung (Bitik- und Inandikvasen). Auch Tiergefäße (Rhyta) aus Ton und Kleinplastiken wurden gefunden. In der Siegelkunst schälte sich ein würfelförmiges Stempelsiegel mit kantigem Griff heraus (Knaufsiegel); die ersten Hieroglyphensiegel traten auf. Der Denkmälerbestand aus der Zeit des Großreichs stammt hauptsächlich aus Hattusa und Alaca Hüyük; außerdem gibt es aus dem 13. Jahrhundert in Eflatun Pɪnar ein gut erhaltenes Quellheiligtum aus reliefierten Felsblöcken sowie verschiedene Felsreliefs (Sirkeli, Fɪraktɪn sowie Yazɪlɪkaya). Die Gefäßmalerei wird nicht fortgesetzt, wohl aber die alte polierte Ware. In umwehrten Städten mit monumental ausgeschmückten Toranlagen wurden Paläste mit Pfeilerhallen und Tempel errichtet, deren Kulträume durch tiefgezogene Fenster erhellt wurden. Kultbilder sind nicht erhalten. Neben monumentaler Torplastik (Tiere) entstanden u. a. in weichen Stein gearbeitete Hochreliefs. Sie zeigen einen eigenständigen Stil. Neben der Gottheit vom »Königstor« in Hattusa und den Felsrelieffriesen von Yazɪlɪkaya sind die Orthostaten von Alaca Hüyük zu erwähnen, die sich durch bewegte Tier- und Jagd- sowie Kultszenen auszeichnen. Die späthethitische Kunst ist hauptsächlich in Syrien (daher auch syrohethitische Kunst) und im Süden und Südosten Anatoliens belegt. Stadtanlagen, Mauern und Tore, Paläste (Bit-Hilani-Typ) und Tempel wurden besonders seit dem 9. Jahrhundert angelegt. In Motivwahl und Stil überwiegend hethitisch geprägt sind die Darstellungen der Anlagen von Malatya, Karkemisch, Kahramanmaraş (früher Maraş) und Zincirli. Ein enger Kontakt mit der gleichzeitigen syrisch-aramäischen und phönikischen Kunst ist in den Anlagen von Karatepe und Ain Dara nicht zu übersehen; die Einflüsse sind wechselseitig, wie es besonders auch in Guzana (Tell Halaf) deutlich wird.
 
Literatur:
 
W. Orthmann: Unters. zur späthethit. Kunst (1971);
 E. Akurgal: Die Kunst der Hethiter (21976);
 K. Bittel: Die Hethiter (1976);
 M. Riemschneider: Die Welt der Hethiter (Neuausg. 1985);
 N. Boysan-Dietrich: Das hethit. Lehmhaus aus der Sicht der Keilschriftquellen (1987);
 E. P. Rossner: Die hethit. Felsreliefs in der Türkei. Ein archäolog. Führer (21988).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Alaca Hüyük und Kültepe: Vorstufen der hethitischen Kunst
 
Hethiter: Die anatolische Kulttradition und die hethitische Staatsreligion
 
Orthostatenreliefs der Hethiter
 
Siegel: Bildmotive und Schrift der Hethiter
 

Universal-Lexikon. 2012.