Heinrich von Vẹldeke,
mittelhochdeutscher Dichter der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts; urkundlich nicht belegt, aber als Dichter vielfach bezeugt, der Name verweist auf ein Dorf bei Hasselt; seine Texte und der ihm von der Überlieferung und späteren Dichtern gegebene Titel »meister« belegen gelehrte (lateinische) Bildung. Angaben in seinen Werken zeigen ihn zunächst in der Nähe der Grafen von Loon und der Servatiuskirche in Maastricht, später als Teilnehmer am Mainzer Hoffest (1184) und am Hof der Thüringer Grafen. - Als Frühwerk gilt sein spärlich überlieferter »Sanct Servatius« (circa 6 000 Verse), die Bearbeitung einer lateinischen Legende über einen Bischof von Tongern, der am Dom von Maastricht besonders verehrt wurde. Sein Hauptwerk ist der Versroman »Eneit« (circa 13 500 Verse), eine Bearbeitung des französischen »Roman d'Énéas« auf der Grundlage der »Aeneis« Vergils. Als zu drei Vierteln fertiges Manuskript wurde die »Eneit« 1174 bei der Hochzeit einer Klever Prinzessin vom Thüringer Grafen Heinrich (Raspe), einem Bruder des Bräutigams, entwendet, nach neun Jahren zurückgegeben und im Auftrag des Pfalzgrafen Heinrich von Thüringen spätestens 1190 beendet. Literarhistorisch gilt das Werk, das schon von den Dichtern des Mittelalters (z. B. Gottfried von Straßburg) gerühmt wurde, als erstes mittelhochdeutsches Epos vorbildhaft durch seine Formbeherrschung (reiner Reim, alternierender Vers) und die Darstellung der Minne. Erzählt wird die Flucht des Äneas aus Troja, sein Aufenthalt bei Dido in Karthago und (stark ausgeweitet) seine Landnahme in Italien. - Wohl während seiner ganzen Schaffenszeit hat Heinrich v. V. Lyrik gedichtet, die unter romanischem Einfluss steht. Die Existenz eines (verlorenen) Werkes über »Salomo und die Minne« bleibt umstritten.
Ausgaben: Heinrich v. V., herausgegeben von L. Ettmüller (1852); Sinte Servatius, herausgegeben von J. H. Bormans (1858); Eneide, herausgegeben von O. Behagel (1882, Nachdruck 1970); Die epischen Werke, herausgegeben von T. Frings u. a., Band 1: Sente Servas. Sanctus Servatius (1956); Eneide, herausgegeben von G. Schieb u. a., 3 Bände (1964-70); Eneasroman. Mittelhochdeutsch/neuhochdeutsch, bearbeitet von D. Kartschoke (1986); Des Minnesangs Frühling, bearbeitet von H. Moser und H. Tervooren, Band 1 (381988).
G. Schieb: Henric van Veldeken. H. v. V. (1965);
W. Schröder: V.-Studien, in: Ztschr. für dt. Philologie, Beiheft 1 (1969);
Universal-Lexikon. 2012.