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Geschlechtskrankheiten
Geschlechtskrankheiten,
 
venerische Krankheiten, meldepflichtige Infektionskrankheiten, die überwiegend durch Geschlechtsverkehr übertragen werden; im engeren Sinn gehören nach gesetzlicher Festlegung in der Reihenfolge der Häufigkeit hierzu Tripper, Syphilis, weicher Schanker und das Lymphogranuloma venereum (Chlamydia). Nach Einteilung der Weltgesundheitsorganisation werden unter dem Oberbegriff der »sexuell übertragenen Krankheiten« (englisch sexually transmitted diseases, Abkürzung STD) auch Trichomoniasis, Candidiasis (Soor), Virushepatitis (Hepatitis), Herpes der Geschlechtsorgane, das spitze Kondylom und Aids einbezogen. Wegen der sozialen Bedeutung der Geschlechtskrankheiten, die bei fehlender Behandlung ein ständiges Ansteckungsrisiko und eine Gefährdung der Nachkommenschaft darstellen, ist ihre Bekämpfung in den meisten Staaten gesetzlich geregelt. Rechtzeitige ärztliche Behandlung führt heute (außer bei Aids) zu völliger Ausheilung.
 
Zu starker Verbreitung der Geschlechtskrankheiten kam es in neuerer Zeit v. a. nach den beiden Weltkriegen; bis 1955 sank die Zahl der Infektionen langsam ab. Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg der Syphilisfälle in den 70er-Jahren gingen die Neuinfektionen weiter stetig zurück, besonders seit Mitte der 80er-Jahre, was im Zusammenhang mit einer durch das Auftreten der neuen Infektionskrankheit Aids bewirkten Änderung des Sexualverhaltens (verstärkter Kondomgebrauch, Rückgang promiskuitiver Beziehungen) gesehen werden kann.
 
Behandlung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten waren im Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7. 1953 (mit späteren Änderungen) geregelt. Das Geschlechtskrankheitengesetz wurde mit Wirkung vom 1. 1. 2001 durch die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes vom 20. 7. 2000 ersetzt. In dem neuen Gesetz werden Prävention, Beratung und Eigenverantwortung bei der Infektionsverhütung betont und die Meldepflicht der Ärzte u. a. Personen wird auf die wesentlichen übertragbaren Krankheiten konzentriert (§ 6 Infektionsschutzgesetz). Meldepflichtig sind auch Nachweise von bestimmten Krankheitserregern (§ 7 Infektionsschutzgesetz, z. B. von HIV).
 
In Österreich gelten das Geschlechtskrankheitengesetz vom 22. 8. 1945 und des Aidsgesetzes vom 6. 6. 1986. - In der Schweiz fallen die Geschlechtskrankheiten unter die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen vom 18. 12. 1970, der VO über die Meldung solcher Krankheiten vom 21. 9. 1987 sowie der HIV-Studienverordnung vom 30. 6. 1993. In erster Linie treffen die Kantone die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.
 
Geschichte:
 
Der Tripper wird als »Samenfluss« (griechisch gonorrhoia) bereits im Alten Testament erwähnt (u. a. 3. Mose 15, 1-18), dort aber nicht vom physiologischen Samenerguss unterschieden. Ähnliche Hinweise auf diese Krankheit finden sich in altägyptischen Papyri (etwa 1350 v. Chr.) und in griechischen, arabischen und römischen Schriften späterer Epochen. Die Syphilis wird in Europa erstmals kurz nach der Entdeckung Amerikas beschrieben. Bei der Belagerung Neapels (1493) trat die »neue« Krankheit epidemisch unter den Soldaten Karls VIII. von Frankreich auf (»neapolitanische Krankheit« oder »Franzosenkrankheit«). Vermutungen gehen dahin, dass die Syphilis damals von Matrosen des Kolumbus aus der Neuen in die Alte Welt eingeschleppt worden sein könnte. Die Ausbreitung dieser vielfach als »Lustseuche« bezeichneten Krankheit war so verheerend, dass man darüber den Tripper gewissermaßen »vergaß« und auch die anderen Geschlechtskrankheiten als Varianten der Syphilis betrachtete und nur von einer einzigen Geschlechtskrankheit sprach (»morbus venereus«). Erst 1867 gelang P. Ricord die einwandfreie experimentelle Feststellung, dass Tripper und Syphilis zwei eigenständige Geschlechtskrankheiten sind. 1879 entdeckte A. Neisser den Erreger des Trippers, die Gonokokken, 1889 A. Ducrey den Erreger des weichen Schankers und 1905 F. R. Schaudinn zusammen mit E. Hoffmann den Erreger der Syphilis. - Die wesentlichen Fortschritte in der Behandlung der Geschlechtskrankheiten sind gleichzeitig Meilensteine in der Geschichte der Chemotherapie. P. Ehrlich führte 1909 Salvarsan zur Syphilisbehandlung ein.
 
Literatur:
 
Hb. der Haut- u. G., hg. v. J. Jadassohn, 41 Teil-Bde. (1927-34),
 
Ergänzungswerk, hg. v. A. Marchionini, 23 Teil-Bde. (1959-81);
 
Praxis der Haut- u. G., bearb. v. E. Christophers u. a. (41986);
 G. Brehm: Haut- u. G. (61993);
 O. Braun-Falco u. a.: Dermatologie u. Venerologie (41996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
sexueller Reaktionszyklus und Geschlechtskrankheiten
 

Universal-Lexikon. 2012.