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Clemenceau
Clemenceau
 
[klemã'so], Georges Benjamin, französischer Staatsmann, * Mouilleron-en-Pareds (Département Vendée) 28. 9. 1841, ✝ Paris 24. 11. 1929; aus traditionell republikanischer Familie; anfangs als Arzt tätig, seit 1870 Bürgermeister des Pariser Stadtteils Montmartre. Erfüllt von jakobinisch-republikanischem Nationalismus, stimmte er als Mitglied der Nationalversammlung 1871 gegen den deutsch-französischen Friedensvertrag. Gegenüber der Pariser Kommune suchte er zu vermitteln. Er vertrat die Interessen der breiten Masse (z. B. Streikrecht) und den sozialen Fortschritt, wollte aber die republikanische Ordnung auch gegen die Linken aufrechterhalten. 1875 wurde er Präsident des Pariser Stadtrates, 1876 Mitglied der Kammer und bald Wortführer der äußersten Linken und »Ministerstürzer«. Als Befürworter einer starken Kontinentalpolitik bekämpfte er J. Ferrys Kolonialunternehmen. In den Panamaskandal hineingezogen, wurde er 1893 nicht wieder gewählt; doch erlangte er bald einen erneuten Ruf als journalistischer Vorkämpfer für die Revision des Dreyfusprozesses (Dreyfusaffäre), besonders durch seine Artikel in der von ihm selbst herausgegebenen Zeitung »L'Aurore«, in der auch É. Zolas »J'accuse« erschien. 1902 wurde Clemenceau Senator. Von 1906 an war er mehrmals Minister; unter seiner ersten Ministerpräsidentschaft 1906-09 wurde die Trennung von Staat und Kirche abschließend geregelt. Im Ersten Weltkrieg von R. Poincaré zunächst aus der Regierung fern gehalten, übernahm »der Tiger«, wie Clemenceau genannt wurde, in der Krise von 1917 zum zweiten Mal die Regierung. Unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments fasste er alle Kräfte Frankreichs zusammen und führte dadurch den Sieg der Alliierten mit herbei. Bei den Friedensverhandlungen suchte er das Deutsche Reich möglichst zu schwächen und den Rhein zur militärischen Grenze Frankreichs zu machen, unterband aber die Unterstützung der rheinischen Separatisten durch französische Militärs. Er polemisierte später heftig gegen alle Zugeständnisse an Deutschland, von dessen Kriegsschuld er überzeugt war. Bei der Wahl des Präsidenten der Republik 1920 gegen P. Deschanel unterlegen, zog sich Clemenceau, der als die stärkste politische Persönlichkeit der Dritten Republik gelten kann, aus dem politischen Leben zurück.
 
Werke: La France devant l'Allemagne (1916); Démosthène (1925; deutsch Demosthenes); Grandeur et misères d'une victoire (1930; deutsch Größe und Tragik eines Sieges); Discours de paix (1938).
 
Literatur:
 
J. Martet: C. spricht. Unterhaltungen mit seinem Sekretär J. Martet (a. d. Frz., 1930);
 J. Martet: Der Tiger. Weitere Unterhaltungen C.s mit seinem Sekretär. .. (a. d. Frz., 1930);
 H. Mordacq: Le Ministère C., 4 Bde. (Paris 1930-31);
 G. M. Wormser: La République de C. (Paris 1961);
 D. R. Watson: G. C. (London 1974);
 G. Prouteau: Le dernier défi de G. C. (Paris 1979);
 F. Giroud: Cœur de Tigre (Paris 1995).

Universal-Lexikon. 2012.