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Attentat von Sarajevo
Attentat von Sarajevo
 
Die Spannungen zwischen den starren europäischen Bündnissystemen, die zuletzt in den Balkankriegen offen zutage getreten waren, wurden durch nationalistisch-chau vinistische Propaganda auf beiden Seiten zusätzlich aufgeheizt. Am 28. Juni 1914 verbreiteten Extrablätter die Meldung vom Attentat in Sarajevo, bei dem ein Serbe den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau getötet hatte. Anschläge auf Staatsmänner und gekrönte Häupter waren in dieser Zeit nichts Außergewöhnliches. Politische Extremisten hatten in zahlreichen Ländern Europas und in den USA den Schrecken des Terrorismus verbreitet.
 
Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers aber war ein Ereignis von besonderer Brisanz, ein Schlag gegen die österreichisch-ungarische Monarchie. Er erschütterte nachhaltig das Gefüge des Vielvölkerstaates.
 
Der ermordete Erzherzog galt als Befürworter einer slawenfreundlichen Politik und strebte die innenpolitische Gleichstellung der slawischen Völker entsprechend dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 an. Hätte er seine Pläne nach der Thronbesteigung verwirklichen können, wäre der panslawistischen Freiheitsbewegung im Reich die Grundlage entzogen worden.
 
In Wien argwöhnte man sofort, dass der Anschlag von Belgrad aus gesteuert worden war und dass hinter den Akteuren, die man in serbischen Geheimdienstkreisen vermutete, Russland stand. Die Regierung der Doppelmonarchie glaubte nun schon aus Prestigegründen Stärke zeigen zu müssen und entschloss sich zu einem Vorgehen gegen Serbien. Dazu benötigte sie aber die Billigung des Deutschen Reiches als Rückendeckung gegen Russland.
 
Auch in Berlin erwartete man ein energisches Auftreten des einzigen noch verbliebenen Bündnispartners. Mit einem schnellen Vergeltungsschlag gegen Serbien, so glaubte man, würden vollendete Tatsachen geschaffen, könne der Konflikt begrenzt werden: Russland sollte am Eingreifen zugunsten Serbiens gehindert werden, und Großbritannien und Frankreich würden kaum bereit sein, wegen Serbien Krieg zu führen. So gab die Reichsregierung am 5. Juli 1914 Österreich-Ungarn die Bekräftigung der unbedingten Bündnistreue, den »Blankoscheck« für das Vorgehen gegen Serbien. Und sie drängte nun die verbündete Regierung in Wien, die Gunst der Stunde zu nutzen und schnell zu handeln.

Universal-Lexikon. 2012.