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Suprafluidität
Su|pra|flu|i|di|tät 〈f.; -; unz.〉 = Superfluidität
Die Buchstabenfolge su|pr... kann in Fremdwörtern auch sup|r... getrennt werden.

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Sụ|p|ra|flu|i|di|tät [ Fluidität] Supraflüssigkeit.

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Suprafluidität,
 
Superfluidität, Eigenschaft von Quantenflüssigkeiten, d. h. von Stoffen, die bei tiefen Temperaturen aufgrund von Quantenfluktuationen ihrer Teilchen nicht in den festen Aggregatzustand übergehen. Suprafluide Flüssigkeiten, kurz Supraflüssigkeiten (Superflüssigkeiten), strömen reibungsfrei durch enge Kapillaren und tragen in ringförmigen geometrischen Anordnungen Dauerströme, die über lange Zeit (Jahre) aufrechterhalten werden. Suprafluidität wurde zuerst für flüssiges Helium, das überwiegend aus dem Isotop Helium 4 (4He) besteht, entdeckt (P. L. Kapiza, 1938).
 
Nach dem Zweiflüssigkeitenmodell von L. Tisza und L. D. Landau ist der Zustand von 4He unterhalb des Lambdapunktes (T = 2,184 K, p = 5 · 103 Pa) durch ein Gemisch von zwei Flüssigkeiten, der normalfluiden und der suprafluiden Komponente, charakterisiert. Die suprafluide Komponente (He II genannt) verhält sich wie eine ideale, wirbelfreie Flüssigkeit ohne Wärmeinhalt, während die normalfluide Komponente (He I genannt) alle Eigenschaften einer normalen Flüssigkeit besitzt. Bei Annäherung an den absoluten Nullpunkt (0 K = —273,15 ºC) verschwindet die normalfluide Komponente, bei Annäherung an den Lambdapunkt die suprafluide Komponente. Die sehr hohe Wärmeleitfähigkeit einer Supraflüssigkeit wird durch Gegenströmung (Konvektion) von normaler und suprafluider Komponente im Gegensatz zu der üblichen Wärmediffusion bewirkt. Suprafluide Ströme (Supraströme) sind nur bedingt stabil, da oberhalb einer kritischen Geschwindigkeit Wirbel entstehen, deren Zirkulation in Einheiten von h / m (h plancksches Wirkungsquantum, m Teilchenmasse der Atome der Supraflüssigkeit) quantisiert ist. In Supraflüssigkeiten sind zwei Formen von Schallausbreitung möglich, normaler (erster) Schall als simultane Dichtewelle in beiden Flüssigkeitskomponenten und zweiter Schall als gegentaktige Schwingung von suprafluider und normalfluider Komponente. Letzterer bildet eine schwach gedämpfte Temperaturwelle (Ausbreitung von Temperaturschwankungen).
 
Die Suprafluidität ist ein reiner Quanteneffekt, der auf der Eigenschaft von Teilchen mit Bose-Einstein-Statistik (Bosonen) beruht, im Grundzustand (am absoluten Nullpunkt) den gleichen Quantenzustand tiefster Energie einzunehmen (Bose-Einstein-Kondensation). 4He-Atome sind als Teilchen mit Gesamtdrehimpuls (Spin) null Bosonen. Die Kondensatteilchen bewegen sich quantenmechanisch kohärent, sodass die quantenmechanische Phase der Teilchen relativ zueinander festgelegt ist. Dies steht im Gegensatz zum normalen Zustand, dessen Eigenschaften invariant sind gegen Eichtransformationen, die die Phase der Wellenfunktion verändern. Vom Standpunkt der theoretischen Physik aus ist diese spontan gebrochene Eichsymmetrie (Symmetriebrechung) das entscheidende Merkmal suprafluider Systeme. Man kann zeigen, dass eine räumliche Änderung der quantenmechanischen Phase der Wellenfunktion des Kondensats einen Suprastrom erzeugt. Da die Phase nicht durch Änderung des Zustandes einzelner Teilchen (wie z. B. in einem Reibungsprozess) geändert wird, ist ein Suprastrom metastabil (metastabiler Zustand). Eine Abnahme des Suprastroms kann dadurch erfolgen, dass das Kondensat in begrenzten Raumbereichen innerhalb der erzeugten Wirbel (»Vertex«) zerstört wird. Das Zweiflüssigkeitenmodell findet seine natürliche Erklärung durch die Identifizierung der suprafluiden Komponente mit dem Kondensat und der normalfluiden Komponente mit den thermischen Anregungen des Systems, den Schallwellen (Phononen) und Rotonen.
 
Die Suprafluidität ist nicht auf Systeme von Bosonen beschränkt. Auch Fermionen, d. h. Teilchen mit halbzahligem Spin, wie z. B. Elektronen in Metallen, Protonen und Neutronen im Atomkern oder die Atome des Isotops 3He, können in einen suprafluiden Zustand kondensieren, wenn sie Cooper-Paare bilden, die als Quasibosonen zu betrachten sind. Die Paarbildung ist notwendig, da Fermionen dem Pauli-Prinzip unterliegen, das eine mehrfache Besetzung eines Quantenzustandes ausschließt.
 
Historisch wurde das Phänomen der Suprafluidität zuerst im System der (elektrisch geladenen) Elektronen in Metallen entdeckt, wo es unter dem Begriff Supraleitung bekannt ist. Als erstes elektrisch neutrales, suprafluides System von Fermionen wurde 1971 flüssiges 3He bei Temperaturen unterhalb von 2,6 mK gefunden (durch D. D. Osheroff, R. C. Richardson und D. M. Lee). Die Cooper-Paare in diesem System besitzen den relativen Bahndrehimpuls l = 1 und den Spin S = 1 und bilden damit eine anisotrope Flüssigkeit mit Eigenschaften, die an Flüssigkristalle und an Antiferromagneten erinnern.
 
Literatur:
 
K. Mendelssohn: Die Suche nach dem absoluten Nullpunkt (a. d. Engl., 1966);
 D. R. u. J. Tilley: Superfluidity and superconductivity (Bristol 31990).

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Su|pra|flu|i|di|tät, die; - [zu lat. supra = (dar)über u. lat. fluidus, ↑fluid] (Chemie): Eigenschaft des flüssigen Heliums, bei einer bestimmten Temperatur die Viskosität sprunghaft auf sehr kleine Werte sinken zu lassen.

Universal-Lexikon. 2012.