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Blịn|den|schrift 〈f. 20〉 Schrift für Blinde aus einem System von erhabenen Punkten zum Tasten; Sy Brailleschrift, Punktschrift
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Blịn|den|schrift, die:
Schrift, deren Buchstaben aus je sechs erhabenen Punkten in verschiedener Kombination bestehen, die über den Tastsinn erfasst werden; Brailleschrift:
ein Buch in B. lesen.
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Blindenschrift,
Punktschrift, Brailleschrift [brɑːj-], Schrift, die Blinden und hochgradig Sehbehinderten das Lesen und Schreiben ermöglicht.
Erste nachweisbare Ansätze reichen bis zum Beginn u. Z. zurück. So empfahl der römische Rhetor Quintilian in seiner Schrift »Institutionis oratoriae libri duodecim« (deutsch »Ausbildung des Redners«) zur Förderung des Schreibunterrichts für Sehende eine Tafel (»tabella«) aus Holz, Elfenbein oder Metall, in die die Formen der Kursivschrift eingraviert waren - eine Anregung, die fortan auch für Blinde von Bedeutung war.
Die Gründer der ersten Blindenbildungsstätten, so u. a. V. Haüy (* 1745, ✝ 1822) 1784 in Paris, J. W. Klein (* 1765, ✝ 1848) 1804 in Wien oder A. Zeune (* 1778, ✝ 1853) 1806 in Berlin, gingen von dem Grundsatz aus, man müsse die Schrift der Sehenden für den Gebrauch der Blinden herrichten. Die Schrift wurde deshalb in Papier geprägt (»Linienschrift«), die erhabenen Formen waren auf der Rückseite tastbar. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es bereits zahlreiche Varianten, bestehend aus lateinischen oder deutschen Schriftzeichen, Doppelalphabeten oder Großbuchstaben, glatten oder punktierten Linien, die jedoch sehr raumaufwendig und schwer zu ertasten waren. Durch Buchstabenkontraktion versuchte man die Schrift zu verkürzen und ging dazu über, die Schriftzeichen selbst zu vereinfachen. Höhepunkt dieser Bestrebungen war die von dem Engländer W. Moon (* 1818, ✝ 1894) entwickelte »Moonschrift«: phonetisches Schriftzeichen in Form geometrischer Symbole (Kreis, Halbkreis, Winkel, Häkchen). Diese Linienschriften erfüllten aber weder die Forderung nach flüssiger Lesbarkeit, noch waren sie schnell und mühelos zu schreiben. Einen anderen Weg hatte der italienische Jesuitenpater F. Lana-Terzi (* 1631, ✝ 1687) schon 1670 eingeschlagen. Er ordnete das italienische Alphabet in einem Liniensystem aus zwei Paar sich überschneidenden Parallelen an, wobei bis zu drei Buchstaben in einem Feld lagen. Dargestellt wurden die Koordinaten eines Buchstabens mit Strichen für die sein Feld umgrenzenden Teilparallelen und Punkten für seine Stellung im Feld. Dies griff vermutlich der französische Artilleriehauptmann C. Barbier (* 1767, ✝ 1842) auf, der eigentlich eine in der Nacht lesbare Geheimschrift schaffen wollte. Unter Verzicht auf die Form der Buchstaben und die herkömmliche Rechtschreibung entwarf er eine auf Sprachlauten beruhende 11-Punkte-Schrift. Die Laute waren in einem System aus 5 horizontalen und 6 vertikalen Kolonnen angeordnet, jeder Laut konnte durch zwei Reihen von Punkten bestimmt und mithilfe einer Rillentafel dargestellt werden (1821 Einführung am Pariser Blindeninstitut). Doch viele der Schriftzeichen waren aufgrund ihrer Größe nicht simultan tastbar und die Rechtschreibung blieb unberücksichtigt.
Blindenschrift wird heute gleichgesetzt mit dem 1825 von L. Braille geschaffenen System. Auf Barbiers »Nachtschrift« aufbauend, entwickelte er eine aus nur 6 Punkten bestehende Buchstabenschrift, die sich inzwischen weltweit durchgesetzt hat (1829 erstes Buch in Brailleschrift; 1879 Einführung der Brailleschrift in Deutschland). Um den Platzbedarf weiter zu reduzieren, wurde die Braille-Vollschrift später durch eine Kurzschrift ergänzt. Auf der Grundlage der Brailleschrift gibt es außerdem eine Schrift für Mathematik, Chemie, Stenografie sowie eine Lautschrift für Blinde und eine Blindennotenschrift.
Im Blindenschriftalphabet besteht jeder Buchstabe aus Teilen der Grundform, die aus zwei senkrechten Reihen mit je drei Punkten zusammengesetzt ist. Für die Darstellung von Buchstaben, Satzzeichen und Ziffern werden lediglich Zahl und Folge der Punkte verändert. Unter Berücksichtigung der Unverwechselbarkeit sind insgesamt 63 Punktkombinationen möglich; nicht alle werden für die Vollschrift benötigt, kommen aber z. B. in der Kurzschrift zur Anwendung. Die Blindenschrift wird gewöhnlich durch Abtasten mit den Kuppen der Zeigefinger von links nach rechts gelesen; der linke Zeigefinger erleichtert jeweils das Auffinden der nächsten Zeile. Geübte Blinde erreichen die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit eines sehenden Vorlesers.
Zum Schreiben der Blindenschrift werden Blindenschriftbogenmaschinen verwendet, mit denen auf einem Bogen festeren Papiers die Punkte von unten her eingedrückt werden, sodass man die Schrift lesen kann, ohne das Papier auszuspannen. Seltener werden Blindenschrifttafeln benutzt. Diese Tafeln bestehen aus einer Schreibunterlage mit konkaven 6-Punkt-Grundformen, über die ein Rahmen gelegt wird. Zwischen Rahmen und Unterlage liegt das Papier. Die Buchstaben werden von rechts nach links (seitenverkehrt) mit einem Metallstift durch den Rahmen in die Grundformen auf das Papier gedrückt. Auf der Rückseite des Papiers entstehen dabei erhöhte Punkte, die der Blinde von links nach rechts abtasten kann. Die Blindenschrift kann auch mithilfe der EDV geschrieben und gespeichert werden (Blindenhilfsmittel). In Blindendruckereien werden Zeitschriften, Zeitungen, Landkarten, Musikalien und Bücher in Blindenschrift hergestellt.
C. N. Mackenzie: World Braille usage (Paris 1954);
Leitf. der dt. Blindenkurzschrift (1974);
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Blịn|den|schrift, die: Schrift, deren Buchstaben aus je sechs erhabenen Punkten in verschiedener Kombination bestehen u. die von dem Blinden über den Tastsinn erfasst wird; Brailleschrift.
Universal-Lexikon. 2012.