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Thera
Thera,
 
neugriechisch Thira ['θira], seit dem Mittelalter auch Santorin [aus italienisch »Santa Irene«], neugriechisch Santorịni, Insel im Süden der Kykladen, Griechenland, 76 km2, 9 400 Einwohner; Hauptort ist Thera (Phira). Die Inseln Thera und Therasia (neugriechisch Thirasia, 9,3 km2, 200 Einwohner) sowie die kleine Insel Aspronisi sind Reste eines bei dem gewaltigen Ausbruch 1628 v. Chr. gesprengten Vulkankegels. In die dabei entstandene, von den genannten Inseln (Teile des Kraterrandes) umgebene Caldera drang das Meer ein, aus dem sich mehrfach Vulkane heraushoben, Palaia Kameni vermutlich schon in prähistorischer Zeit; zwei jüngere (1570-73 und 1707-11) mit dem 1867-70 entstandenen Georgsvulkan wurden 1925-28 durch einen neuen Vulkankegel zu der Insel Nea Kameni verschmolzen (letzter Vulkanausbruch 1956). Die Inseln sind stark erdbebengefährdet (letztes katastrophales Beben 1956).
 
Die Insel Thera ist mit Lava-, Schlacken- und Aschendecken und einer bis 30 m mächtigen Schicht von vulkanischem Tuff (Santorinerde) bedeckt. Der Steilabfall des inneren Kraterrands (200-360 m über dem Meeresspiegel) setzt sich unter dem Meeresspiegel fort (Tiefe bis 380 m). Nach außen dacht sich die Insel sanft ab. Im Südosten erhebt sich der Prophitis Elias (566 m über dem Meeresspiegel), aufgebaut aus gefalteten Sedimentgesteinen (Kalke, Tonschiefer). - Die Bevölkerung lebt vom Ackerbau (Weizen, Tomaten; Weinbau im Rückgang), vom Abbau der Santorinerde und heute v. a. vom Fremdenverkehr. Der Hauptort Thera (mit dicht beieinander stehenden weißen Flach- und Tonnendachhäusern; archäologisches Museum) liegt auf dem inneren Inselrand, ein Treppenweg (588 Stufen) und eine Kabinenbahn führen zum unterhalb von Thera gelegenen alten Hafen, eine Serpentinenstraße (17 km) zum neuen Hafen Athinios; der Flugplatz liegt 6 km südöstlich von Thera.
 
Die Ausgrabungen seit 1967 (bis 1974 durch S. Marinatos) beim Dorf Akrotiri an der Südwestküste erweisen, dass auf Thera eine bedeutende, der minoischen Kultur Kretas nahe stehende bronzezeitliche Siedlung bestand, die durch einen Vulkanausbruch zerstört wurde, dessen Datierung lange umstritten war, der aber offenbar nicht Mitte des 15., sondern im 17. Jahrhundert v. Chr. erfolgte, und zwar nach jüngsten dendrologischen Untersuchungen 1628 v. Chr. Es gab mehrstöckige Häuser, deren Wände zum Teil mit Fresken geschmückt waren (heute v. a. im Archäologieen Nationalmuseum in Athen); sie zeigen das Bild einer blühenden Insel mit Handelsstädten. Die Thematik erweitert das aus Kreta Bekannte wesentlich: Gazellen, Boxkampf, Fischer, Blumen pflückende Frauen, »Schiffsfries« (im Westhaus) mit heimkehrenden Schiffen in einer Insellandschaft mit Fluss, Bergen und Meer, zwei Städten, Hafen und Menschen. Die Schwalben auf einem besonders gut erhaltenen Fresko mit Lilien auf Felsen (»Frühlingsfresko«) kehren in der aus der gleichen Zeit stammenden Vasenmalerei von Thera wieder. Aus durch verbranntes Holz entstandenen Leerräumen in der erkalteten vulkanischen Schicht gewannen die Ausgräber durch Gipsausgüsse verschiedene Möbelstücke (Liege, Schemel). Kostbare Kleinfunde wurden wohl deshalb nicht gemacht, weil transportable Wertsachen anscheinend von den flüchtenden Bewohnern mitgenommen wurden. Eine vorübergehende spärliche Nachbesiedlung ist feststellbar.
 
Die Insel, an ihrer Südostküste Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr. durch dorische Griechen neu besiedelt, gewann besonders in hellenistischer Zeit als ptolemäischer Flottenstützpunkt Bedeutung; Ausgrabungen legten Häuser, Tempel, Theater u. a. der antiken Stadt Thera (am Kap Mesavuno) aus dieser Zeit frei; reiche Einzelfunde aus archaischer Zeit.
 
Literatur:
 
S. Marinatos: Excavations at T., 8 Tle. (Athen 1968-76);
 S. Marinatos: Kreta, T. u. das myken. Hellas (Neuausg. 1986);
 
Vulkanismus, Einf. v. H. Pichler (1985);
 C. G. Doumas: T., Santorin. Das Pompeji der alten Ägäis (a. d. Engl., 1991).

Universal-Lexikon. 2012.