Steuer|inzidenz,
Verteilung der Last einer Steuer oder einer Anzahl von Steuern meist zwischen Personen als Ergebnis der Steuerwirkungen. Unter Steuerlast wird dabei im Allgemeinen die direkt durch die Steuerzahllast oder indirekt durch Preiserhöhungen bewirkte Kaufkrafteinbuße verstanden, im ökonomischen Sinne wären aber auch darüber hinausgehende Nutzeneinbußen infolge der Besteuerung (Excess Burden) mit zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Analyse der Steuerinzidenz stellt die gesetzliche Verteilung der Zahlungsverpflichtungen (Steuerzahllasten) dar (gesetzliche Steuerinzidenz, primäre Steuerinzidenz). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Steuerinzidenz (Destinatarsteuerinzidenz) kann davon abweichen, wenn Steuerüberwälzung erwartet wird (z. B. bei der Umsatzsteuer). Bei Einbeziehung aller Steuerwirkungen in die Betrachtung (effektive Steuerinzidenz, tatsächliche Steuerinzidenz, materielle Steuerinzidenz) sind letztlich immer Personen Träger der Steuerlast (Steuerträger), auch wenn die Steuern im Unternehmensbereich erhoben werden. Die effektive Steuerinzidenz ist somit gleichbedeutend mit der Wirkung der Steuern auf die personelle Einkommensverteilung. Sie wird von der Destinatarinzidenz abweichen, wenn die Steuerwirkungen anders verlaufen, als der Gesetzgeber angenommen hat.
Eine theoretische Analyse der effektiven Steuerinzidenz erfordert die Berücksichtigung aller beziehungsweise möglichst vieler der im wirtschaftlichen Kreislaufzusammenhang anfallenden nationalen und internationalen Wirkungen der Steuern beziehungsweise der Steueränderungen und die Berechnung eines (End-)Gleichgewichtszustandes. Die methodischen und datenmäßigen Probleme einer mikroökonomischen Totalanalyse der effektiven Steuerinzidenz konkreter Steuern oder Steuersysteme sind jedoch groß. Meist wird daher bewusst auf eine volle Erfassung aller Steuerwirkungen verzichtet und mit mehr oder minder vereinfachenden (verkürzenden) Annahmen gearbeitet. So beruht das am weitesten verbreitete und meist auch der Steuer- und Verteilungspolitik zugrunde liegende Konzept der formalen Steuerinzidenz auf der vereinfachenden (wirtschaftstheoretisch nicht haltbaren) Annahme, dass Steuern auf die Einkommensentstehung nicht überwälzbar sind und somit die Steuerschuldner (Einkommens- und Gewinnbezieher) belasten, dass die bei Produktion und Umsatz erhobenen Steuern auf die Einkommensverwendung dagegen voll überwälzt werden und die Konsumenten belasten (Steuerüberwälzung). Nach diesem Konzept der formalen Steuerinzidenz kann eine proportionale Verbrauchsbesteuerung zu einer Steuerbelastung führen, die bei steigenden Einkommen prozentual abnimmt (Regression). Die empirische Analyse der Steuerinzidenz für konkrete Steuern oder ein konkretes Steuersystem ist auch deshalb problematisch, weil der ermittelten »endgültigen« Steuerlastverteilung diejenige (fiktive) Einkommensverteilung gegenübergestellt werden müsste, die sich ohne Staat und Steuer(n) ergeben hätte. Die Berechtigung und der Aussagewert von empirischen Berechnungen der Steuerinzidenz sind angesichts der methodischen Probleme und der weit voneinander abweichenden Resultate der einzelnen Studien in der Wirtschaftswissenschaft sehr umstritten. Die praktische Steuerpolitik ist daher nach wie vor in starkem Maß auf Hypothesen und Vermutungen zur Steuerinzidenz angewiesen.
Universal-Lexikon. 2012.