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Soziobiologie
Soziobiologie,
 
in den 1940er-Jahren in den USA begründeter Zweig der Verhaltensforschung, der in seinem Ansatz Erkenntnisse der Evolutionsbiologie des Verhaltens, der Tiersoziologie und der Populationsbiologie vereinigt. Der Begriff Soziobiologie wurde von E. O. Wilson (»Sociobiology. The new synthesis«, 1975) geprägt. Die Soziobiologie untersucht vergleichend die biologischen Grundlagen des Sozialverhaltens der Tiere und des Menschen in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen; dies unter der Fragestellung, auf welcher Ebene (Gene, Individuum, Fortpflanzungsgemeinschaft, Art) die Selektion differenzierend eingreift und zu Verhaltensanpassungen im Laufe der Evolution führt. Aufsehen erregten v. a. die Erklärungsmodelle für Verhaltensweisen, die altruistisch anmuten (z. B. Hilfestellung gegen Fressfeinde, Mithilfe älterer Jungtiere bei der Brutpflege jüngerer Geschwister) und die vordergründig die Fortpflanzungschancen des Individuums schmälern. Von W. D. Hamilton wurde in diesem Zusammenhang 1964 der Begriff »kin selection« (deutsch meist mit »Sippenselektion« übersetzt) eingeführt, wobei »kin« ursprünglich Blutsverwandtschaft bedeutet. Davon ausgehend, dass sich ein Teil der Allele eines Individuums auch bei seinen Verwandten findet, kann altruistisches Verhalten dem Individuum die Möglichkeit bieten, den Anteil seiner eigenen Gene in der nächsten Generation nicht nur durch eigene Fortpflanzung zu erhöhen (»direkte Fitness«), sondern auch durch Unterstützung nächster Verwandter (»indirekte Fitness«); der zugrunde liegende Kerngedanke ist, dass Evolution auf der Ebene des Gens (der Allele) stattfindet und dass die Triebkraft für scheinbar altruistisches Verhalten das Bestreben der Gene ist, sich in möglichst vielen Individuen (Nachkommen und/oder Verwandten) zu vervielfältigen, eine Vorstellung, die zum Modell vom »egoistischen Gen« (R. Dawkins) führte. - Anlass zur Kritik an den Theorien der Soziobiologie und für den Vorwurf des Reduktionismus war der Versuch, menschliches Verhalten und menschliche Wertvorstellungen ausschließlich mit biologischen Methoden erklären und daraus ethische Normen ableiten zu wollen.
 
Literatur:
 
W. Wickler u. U. Seibt: Das Prinzip Eigennutz (Neuausg. 1981);
 R. Dawkins: Das egoist. Gen (a. d. Engl., Neuausg. 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Kommunikation: Eine Einführung
 
menschliches Verhalten im Spannungsfeld von Natur und Kultur
 
menschliches Verhalten: Zwischen Kooperation und Konkurrenz
 
Geschlecht und Geschlechtlichkeit
 
Sexualität: Zwischen Liebe und Ausbeutung
 
Ehe: Konflikt und Kooperation zwischen den Geschlechtern
 
Soziobiologie: Was, wenn die Soziobiologen Recht haben?
 
Fortpflanzung zwischen Kindersegen und Kinderfluch, zwischen Manipulation und Opportunismus
 

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So|zi|o|bio|lo|gie, die; -: Wissenschaft, die sich mit dem Leben unter Einbeziehung der gesellschaftlichen Umwelt befasst.

Universal-Lexikon. 2012.