Religionspsychologie,
Wissenschaft, die religiöse Erscheinungen mithilfe psychologischer Begriffe, Erfahrungen und Fragestellungen untersucht. Bis heute ist umstritten, ob die Religionspsychologie in der Theologie, Psychologie oder Religionswissenschaft ihren Platz hat. Psychologische Überlegungen im weitesten Sinne hat es in den Reflexionen über Religion, ihrer Verteidigung und Kritik seit Beginn der Überlieferungen gegeben, z. B. bei Tertullian, Augustinus, Theresia von Ávila, L. Feuerbach, S. Kierkegaard. Im engeren Sinn beginnt die Religionspsychologie im 19. Jahrhundert mit den Untersuchungen von Edwin Dwiller Starbuck (* 1866, ✝ 1947) zur religiösen Sozialisation mithilfe von Fragebogen, von W. James, der die »Urbilder« aller religiösen Erfahrungen und Handlungen, die der »Durchschnittsgläubige« nur nachvollziehe, in den religiösen »Genies« aufsuchen wollte, und von James Henry Leuba (* 1866, ✝ 1947), der die Bedeutung der Religion für individuelle und soziale Entwicklungen auch in nichtchristlichen Kulturen herausarbeitete. In Deutschland wurden diese amerikanischen Ansätze zuerst von Theologen aufgenommen. G. Wobbermin wollte »die verschiedenartigen Ausdrucksformen des religiösen Bewusstseins unter dem Gesichtspunkt des Wahrheitsinteresses psychologisch analysieren, um so ihre spezifisch religiösen Motive und Tendenzen zu erfassen«. Dagegen schloss W. Stählin die Wahrheitsfrage strikt aus, um den Weg für eine empirische Wissenschaft zu ebnen. In den 1920er-Jahren führte dieser Ansatz zu vielen, von Karl Girgensohn (* 1875, ✝ 1925), Werner Gruehn (* 1887, ✝ 1961) u. a. durchgeführten empirischen Untersuchungen der religiösen Einstellungen verschiedener Bevölkerungs- und Berufsgruppen (dokumentiert in: Archiv für Religionspsychologie, 1912 ff.). Die experimentelle Methode wurde von W. Trillhaas kritisiert, da sich ein »originäres religiöses Erlebnis« nicht durch einen Versuchsleiter »auslösen« lasse, stattdessen wurde ein an W. Dilthey, E. Husserl und E. Spranger sich anschließendes »verstehendes« oder »geisteswissenschaftliches« Verfahren empfohlen. S. Freud u. a. Psychoanalytiker trugen grundlegend zum Verständnis religiöser Kulte, Mythen usw. durch einen Vergleich mit psychologisch beschreibbaren und in der Psychoanalyse aufklärbaren Träumen bei. In der Psychologie C. G. Jungs erfolgte eine weitgehende Gleichsetzung von »religiös« und »psychisch«. Nach 1945 sind verschiedene systematische Zusammenfassungen vorgelegt worden (Wilhelm Pöll, * 1897, ✝ um 1990; Villiam Grönbaeck, * 1897, ✝ 1970; Thorvald Källstad; Henry Newton Malony, * 1931; Nils G. Holm). Weitergeführt haben insbesondere die Untersuchungen von Antoine Vergote (* 1921) zur Bedeutung der Vater- und Mutterimago für das Gottesbild und die Anwendung der Rollenpsychologie auf religiöses Verhalten von Hjalmar Sundén (* 1908). Bis heute aber sind der Gegenstand der Religionspsychologie (der Religion habende Mensch oder die ein religiöses Erlebnis hervorrufende Instanz) und die Methoden umstritten. Die neuere Religionspsychologie betont zudem, dass eine wissenschaftliche Religionspsychologie im eigentlichen Sinne nur mit empirischen Mitteln und theoretischer Durchdringung des Erforschten zu relevanten Ergebnissen gelangen kann. Dabei sei zu berücksichtigen, dass religiöses Verhalten nicht nur eine Ausdrucksform der Psyche ist, sondern dass die Religion an der Gestaltung der psychischen Instanzen (z. B. des Gewissens) in Geschichte und Gegenwart mit beteiligt ist.
N. G. Holm: Einf. in die R. (a. d. Schwed., 1990).
II
Religionspsychologie,
Wissenschaft, die religiöse Erscheinungen mithilfe psychologischer Begriffe, Erfahrungen und Fragestellungen untersucht. Bis heute ist umstritten, ob die Religionspsychologie in der Theologie, Psychologie oder Religionswissenschaft ihren Platz hat. Psychologische Überlegungen im weitesten Sinne hat es in den Reflexionen über Religion, ihrer Verteidigung und Kritik seit Beginn der Überlieferungen gegeben, z. B. bei Tertullian, Augustinus, T. von Avila, L. Feuerbach und S. Kierkegaard. Die Religionspsychologie im engeren Sinn beginnt im 19. Jahrhundert mit den Untersuchungen von E. D. Starbuck zur religiösen Sozialisation mittels Fragebogen, mit W. James, der die »Urbilder« aller religiösen Erfahrungen und Handlungen, die der »Durchschnittsgläubige« nur nachvollziehe, in den religiösen »Genies« aufsuchen wollte, und mit J. H. Leuba, der die Bedeutung der Religion für individuelle und soziale Entwicklungen auch in nicht christlichen Kulturen herausarbeitete.
In Deutschland wurden diese amerikanischen Ansätze zuerst von Theologen aufgenommen. G. Wobbermin wollte »die verschiedenartigen Ausdrucksformen des religiösen Bewusstseins unter dem Gesichtspunkt des Wahrheitsinteresses psychologisch analysieren, um so ihre spezifisch religiösen Motive und Tendenzen zu erfassen«. Dagegen schloss W. Stählin die Wahrheitsfrage strikt aus, um den Weg für eine empirische Wissenschaft zu ebnen. In den Zwanzigerjahren führte dieser Ansatz zu vielen empirischen Untersuchungen der religiösen Einstellungen verschiedener Bevölkerungs- und Berufsgruppen. Die experimentelle Methode wurde von W. Trillhaas kritisiert, da sich ein »originäres religiöses Erlebnis« nicht durch einen Versuchsleiter »auslösen« lasse, stattdessen wurde ein an W. Dilthey, E. Husserl und E. Spranger anknüpfendes »verstehendes« oder »geisteswissenschaftliches« Verfahren empfohlen. S. Freud und andere Psychoanalytiker trugen Grundlegendes zum Verständnis religiöser Kulte und Mythen durch einen Vergleich mit psychologisch beschreibbaren und in der Psychoanalyse aufklärbaren Träumen bei. In der analytischen Psychologie C. G. Jungs erfolgte eine weitgehende Gleichsetzung von »religiös« und »psychisch«.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind mehrere systematische Zusammenfassungen vorgelegt worden. Weitergeführt haben insbesondere die Untersuchungen von A. Vergote zur Bedeutung der Vater- und Mutterimago für das Gottesbild und die Anwendung der Rollenpsychologie auf religiöses Verhalten von H. Sundén. Die neuere Religionspsychologie betont, dass eine wissenschaftliche Religionspsychologie im eigentlichen Sinn nur mit empirischen Methoden und theoretischer Durchdringung des Erforschten zu relevanten Ergebnissen gelangen könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass religiöses Verhalten nicht nur eine Ausdrucksform der Psyche darstelle, sondern dass die Religion an der Gestaltung der psychischen Instanzen (z. B. des Gewissens) mitbeteiligt sei.
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Re|li|gi|ons|psy|cho|lo|gie, die: Teilgebiet der Religionswissenschaft, in dem die seelischen Vorgänge des religiösen Erlebens u. Verhaltens erforscht werden.
Universal-Lexikon. 2012.