Mehrchörigkeit,
Kompositionsart für mehrere meist räumlich getrennte vokale, instrumentale oder gemischte Klanggruppen. Die Mehrchörigkeit geht zurück auf die Technik des Coro spezzato der venezianischen Schule um 1550 (A. Willaert), bei der erstmals in Psalmvertonungen der Gesamtchor in zwei oder drei selbstständige, jeweils vierstimmige Gruppen aufgeteilt wurde. V. a. durch A. und G. Gabrieli entwickelte sich die Mehrchörigkeit zu einer Hauptform des barocken, durch festliche Klangpracht gekennzeichneten Concertos, auch unter Einbeziehung von Motette, Magnificat und Messe und in Übertragung auf die reine Instrumentalmusik der Sonate und Sinfonie. Bedeutende mehrchörige Werke schufen im 17. Jahrhundert H. L. Hassler, H. Schütz sowie M. Praetorius, der 1619 die Aufführungspraxis der Mehrchörigkeit ausführlich beschrieb. Im Laufe des 17. Jahrhunderts drängten Monodie und Generalbass die Mehrchörigkeit nach und nach zurück. Als Grundmöglichkeit barocken Musizierens blieb sie dennoch wirksam (z. B. J. S. Bachs »Matthäuspassion«, 1729) und wurde auch im 19. Jahrhundert als Mittel repräsentativer Klangentfaltung eingesetzt (z. B. H. Berlioz, »Te Deum«, 1855; A. Bruckner, Messe e-Moll, 1866).
Universal-Lexikon. 2012.