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Jugendsoziologie
Jugendsoziologie,
 
Teilbereich der Soziologie, der die konfliktträchtige Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein (Jugend) hinsichtlich der Lebensbedingungen von Jugendlichen, ihrer Interaktionen (auch zwischen den Generationen), ihrer Wertorientierungen und Verhaltensweisen untersucht. Der Forschungsbereich überschneidet sich zum Teil mit pädagogischen, jugendpsychologischen und -kriminologischen sowie familiensoziologischen Ansätzen.
 
Wesentliche Anstöße für die Entwicklung einer Jugendsoziologie gingen von der Jugendbewegung aus (S. Bernfeld). In den 1920er-Jahren wurden erstmals auf Befragungen und Tagebuchstudien aufbauende Untersuchungen über die Arbeiterjugend verfasst (Curt Bondy, * 1894, ✝ 1972). Beiträge kamen in der Folgezeit auch von der Jugendpsychologie (Charlotte Bühler, E. Spranger). Unter diesem Einfluss entstanden auch erstmals umfassendere Untersuchungen über den Einfluss der sozialen Schicht v. a. auf die Berufswahl (Paul F. Lazarsfeld, * 1901, ✝ 1976). Von den 30er- und 40er-Jahren an wurden in den USA wegweisende Forschungen zum jugendlichen Bandenwesen und zur Jugendkriminalität (F. Thrasher, William F. Whyte, * 1914) unternommen. In der deutschsprachigen Soziologie der Nachkriegszeit stellen H. Schelskys Untersuchungen über »Arbeitslosigkeit und Berufsnot der Jugend« (1952) und seine zeitgeschichtliche Typisierung der Jugend als »skeptische Generation« (1957) wichtige Einschnitte dar. Hieran konnten die streng empirisch aufgebauten Untersuchungen der 60er-Jahre (L. Rosenmayr, Walter Jaide [* 1911], L. von Friedeburg u. a.) sowie groß angelegte Erhebungen, z. B. die des Jugendwerkes der Deutschen Shell in den 80er- und 90er-Jahren, anknüpfen. Schwerpunkte der Forschung waren das Sexualverhalten, die Entstehung jugendlicher Subkulturen, Konsumgewohnheiten, Freizeitgestaltung, die Fragen nach den Bildungs- und Sozialchancen und ihrer Abhängigkeit von schichtenspezifischen Voraussetzungen sowie das politische und ideologische Engagement in den Schüler- und Studentenprotestbewegungen und die Autoritäts- und Leistungskonflikte. In neuerer Zeit verlagerte sich das Gewicht wieder mehr auf phänomenologische, zeit- und gesellschaftskritische Untersuchungen zu Lebenslage und Bewusstseinsstrukturen Jugendlicher, häufig im Kontext der Diskussion um den so genannten Wertewandel, zum Teil verbunden mit einer Akzentuierung geschlechtsspezifischer Fragestellungen. Seit der deutschen Vereinigung werden insbesondere Lebensbedingungen, Dispositionen und Verhaltensweisen Jugendlicher in den neuen und den alten Bundesländern untersucht.
 
Literatur:
 
C. Bondy: Die proletar. Jugendbewegung in Dtl. (1922, Nachdr. 1987);
 P. F. Lazarsfeld: Jugend u. Beruf (1931);
 C. Bühler: Kindheit u. Jugend (41967);
 F. M. Thrasher: The gang (Neuausg. Chicago, Ill.,1973);
 K. R. Allerbeck u. L. Rosenmayr: Einf. in die J. (1976);
 H. Kreutz: Soziologie der Jugend (21976);
 L. Rosenmayr: Jugend, in: Hb. der empir. Sozialforschung, hg. v. R. König, Bd. 6 (21976);
 W. Whyte: Street corner society (Chicago, Ill., 31981);
 H. M. Griese: Sozialwissenschaftl. Jugendtheorien (21982);
 
Alltag u. Biografie von Mädchen, hg. v. H. Krüger u. a., 16 Bde. (1984-88);
 B. Schäfers: Soziologie des Jugendalters (31985);
 
Die Jugend. Einf. in die interdisziplinäre Juventologie, hg. v. H. Reimann u. a. (21987);
 
Hb. der Familien- u. Jugendforschung, hg. v. M. Markefka u. R. Nave-Herz, 2 Bde. (1989);
 
Jugend '92. Lebenslagen, Orientierungen u. Entwicklungsperspektiven im vereinten Dtl., bearb. v. H. Apel u. a., 4 Bde. (1992);
 P. Förster u.W. Friedrich: Jugendliche in den neuen Bundesländern. Ergebnisse einer empir. Studie zum Wandel der Meinungen, Einstellungen u. Werte von Jugendlichen in Sachsen 1990 bis 1994, in: Aus Politik u. Zeitgesch. 1996 (1996).

Universal-Lexikon. 2012.