Guarini,
1) Giovanni Battista, italienischer Dichter, * Ferrara 10. 12. 1538, ✝ Venedig 7. 10. 1612; bekleidete verschiedene Ämter am Hof der Este, wurde als Botschafter nach Turin, Rom, Krakau entsandt, stand zeitweilig auch im Dienst der Medici. Seine petrarkisierenden und platonisierenden Gedichte (»Rime«, 1598) wurden mehrfach vertont. Um T. Tassos »Aminta« zu überbieten, schrieb er 1580 das Schäferdrama »Il pastor fido« (1590, Uraufführung 1595; deutsch »Der treue Schäfer«), mit dem er die neue Gattung der Tragikomödie schuf. Das Stück beeinflusste maßgebend die Entwicklung des Schäferspiels. Gegen Angriffe auf sein Werk verteidigte er sich mit den Dialogen »Verato« (1588) und »Verato secondo« (1593). Seine poetischen Lehren legte er in dem »Compendio della poesia tragicomica« (1601) fest.
Ausgabe: Opere, herausgegeben von M. Guglielminetti (21971).
2) Guarino, italienischer Baumeister, Mathematiker und Philosoph, * Modena 17. 1. 1624, ✝ Mailand 6. 3. 1683; Theatinermönch. Nach dem Studium in Rom lebte er 1648-55 in Modena, dann u. a. in Parma, vielleicht auch in Spanien und Portugal, 1660 in Messina, 1662-66 in Paris, anschließend bis 1681 in Turin. Er veröffentlichte mathematische, philosophische und Architekturtraktate. Guarini führte die von F. Borromini eingeleitete Entwicklung der Barockarchitektur zu einem Höhepunkt. Er gestaltete Räume in der Durchdringung zylindrischer Raumkörper, mit ineinander schneidenden runden und ovalen Kompartimenten und konkav und konvex schwingenden Wänden, wobei auch der Langbau zentralisierenden Tendenzen unterliegt. Seine von frei liegenden Rippen vergitterten zweischaligen Kuppeln erzeugen eine verklärende Lichtwirkung. Seine Entwürfe für ausgeführte, zum Teil zerstörte Bauten wie für unausgeführte Projekte waren im 18. Jahrhundert weit verbreitet (»Architettura civile«, herausgegeben 1737, Neuauflage 1968) und von bedeutendem Einfluss auf den süddeutschen und böhmischen Barock (Brüder Dientzenhofer, B. Neumann).
Werke: (in Turin): San Lorenzo (um 1668-80 Umbau in einen oktogonalen Baukörper; 1687 postum vollendet); Cappella della Santissima Sindone (an den Dom angebaut; 1668-82 von Guarini oberer Teil und Kuppel; 1694 postum vollendet); Palazzo Carignano (1679-85).
Claudia Müller: Unendlichkeit u. Transzendenz in der Sakralarchitektur G.s (1986).
Universal-Lexikon. 2012.