Existẹnzgründungspolitik,
Gesamtheit aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die darauf abzielen, aus wettbewerbs-, arbeitsmarkt- und wachstumspolitischen Gründen Unternehmensgründungen zu fördern. Träger der Existenzgründungspolitik sind der Bund (v. a. die Ministerien für Wirtschaft sowie für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie), öffentlich-rechtliche Sonderkörperschaften (Industrie- und Handelskammern, Kreditanstalt für Wiederaufbau [KfW], Deutsche Ausgleichsbank u. a.) und die Länderregierungen mit ihren Sonderprogrammen. Gefördert werden v. a. Nachwuchskräfte in den Bereichen gewerbliche Wirtschaft und freie Berufe. Im Mittelpunkt stehen Finanzhilfen (Darlehen, Zinsvergünstigungen, Bürgschaften). Eigenkapitalhilfeprogramme (Eigenkapital) zielen auf die Stärkung der Eigenkapitalbasis bei Gründung oder Übernahme eines Unternehmens, bei tätiger Beteiligung an einem Unternehmen sowie bei Investitionen innerhalb von drei Jahren nach Existenzgründung, wenn diese bereits gefördert wurden. Die Fördermittel können für Baumaßnahmen und Grundstückskosten, für die Betriebs- und Warenausstattung, für den Kauf von Firmen sowie in gewissen Grenzen auch für die Markterschließung eingesetzt werden. In Deutschland werden Eigenkapitalhilfen bis zu 300 000 DM als Darlehen zu günstigen Zins- und Tilgungsbedingungen im Rahmen des Existenzgründungsprogramms des ERP-Sondervermögens (ERP), des Mittelstandsprogramms der KfW und des Existenzgründungsprogramms der Deutschen Ausgleichsbank gewährt. Weitere Instrumente der Existenzgründungspolitik sind die Übernahme von Bürgschaften (z. B. für freie Berufe über die Deutsche Ausgleichsbank), die Gewährung von Zuschüssen für Sparleistungen auf einen Sparvertrag bei einer Bank, der zum Zweck einer Existenzgründung abgeschlossen wurde (Ansparförderung; 1993 ausgelaufen), sowie die Gewährung von Zuschüssen bei der Inanspruchnahme eines Beraters (Beratungsförderung). Im Rahmen des seit Anfang 1995 laufenden Beteiligungsprogramms für technologieorientierte Gründungen und junge Unternehmen sollen über Refinanzierungsdarlehen der KfW oder unmittelbar über Beteiligung der Deutschen Ausgleichsbank bis zum Jahr 2000 rd. 900 Mio. DM Beteiligungskapital mobilisiert werden. Auch über das ERP-Beteiligungsprogramm werden v. a. für Technologiegründungen Kapitalbeteiligungen angeboten.
Für die neuen Bundesländer gelten besondere, v. a. durch höhere Förderung und günstigere Konditionen gekennzeichnete Regelungen. So gilt z. B. beim Eigenkapitalhilfeprogramm ein Regelhöchstbetrag je Antragsteller von 700 000 DM, bei Privatisierungen mit günstigem Ertrag-Risiko-Verhältnis sogar ein Betrag von bis zu 2 Mio. DM. Diese Darlehen sind zehn Jahre tilgungsfrei und in den ersten sechs Jahren nur niedrig zu verzinsen. Analoge Regelungen für die neuen Bundesländer gelten auch für andere Programme, z. B. die ERP-Kredite für Existenzgründungen und Investitionen, das Mittelstandsprogramm der KfW und das Existenzgründungsprogramm der Deutschen Ausgleichsbank.
Verschiedene Sonderprogramme der Bundesländer ergänzen die Existenzgründungspolitik des Bundes, u. a. durch Gewährung von Zinszuschüssen, Investitionshilfen, Existenzgründungsprämien sowie durch Beratungsförderung und Bürgschaften. So gewährt z. B. der Freistaat Sachsen im Rahmen des Mittelstandsprogramms der Sächsischen Aufbaubank zinsverbilligte Kredite bis zu 500 000 DM für die Gründung von mittelständischen Unternehmen. Hinzu kommen Sonderprogramme mit regionalpolitischem Schwerpunkt. Bei der Existenzgründungspolitik arbeiten Regierungsstellen, Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, Banken, kommunale Ämter für Wirtschaftsförderung sowie Wirtschaftsförderungsgesellschaften von Bundesländern eng zusammen.
Auch im Rahmen der EG wird zunehmend Existenzgründungspolitik betrieben. Zu den Förderprogrammen zählt z. B. das mit 112 Mio. ECU dotierte und bis Ende 1996 befristete Aktionsprogramm für kleine und mittelständische Unternehmen. Hierbei geht es neben der direkten finanziellen Förderung v. a. um die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen (Beratung, grenzüberschreitende Zusammenarbeit). Darüber hinaus werden von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Umstellungsdarlehen für Arbeitnehmer aus der Kohle- und Stahlindustrie angeboten, die sich in anderen Bereichen selbstständig machen wollen. Weitere Unterstützung bieten europäische Netzwerke, z. B. das Europäische Netz der Gründungs- und Innovationszentren (EBN) und die Europäische Vereinigung für Wagniskapital (EVCA).
Zur Existenzgründungspolitik können auch die Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen durch die Bereitstellung von Risikokapital sowie die Schaffung von Technologieparks gezählt werden. Hier hat häufig die anwendungsorientierte, praxisnahe Universitätsforschung zu Unternehmensneugründungen inspiriert.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Forschungs- und Technologiepolitik · Industriepolitik · Strukturpolitik · Wirtschaftsförderung
M. Hofmann: Existenzgründung. Rechtsformwahl, Finanzierungshilfen, Rechtsvorschriften (51993);
M. Hebig: Existenzgründungsberatung (31994).
Universal-Lexikon. 2012.