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Nichtsesshafte
Nicht|sẹss|haf|te(r) auch: nicht Sẹss|haf|te(r) 〈f. 30 (m. 29)〉 = Obdachlose(r)

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Nịcht|sess|haf|te, die/eine Nichtsesshafte; der/einer Nichtsesshaften, die Nichtsesshaften/zwei Nichtsesshafte (Amtsspr.):
weibliche Person, die keinen festen Wohnsitz hat.

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Nicht|sesshafte,
 
allein stehende Wohnungslose, im Sozialhilferecht Personen, die ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage »umherziehen« oder sich in Einrichtungen zur sozialen Wiedereingliederung befinden. Die Abgrenzung zu anderen Gruppen der Gesellschaft, die sich in sozialer Notlage befinden (z. B. Obdachlose), ist administrativ bedingt durch die besondere kostenrechtliche Zuständigkeitsregelung für Nichtsesshafte im Sozialhilferecht. In der gegenwärtigen Sozialarbeit, Sozialpolitik und Sozialwissenschaft wird die Bezeichnung Nichtsesshafte als ein von der nationalsozialistischen »Asozialenpolitik« (Erklärung der nichtsesshaften Lebensweise aus Veranlagung oder charakterlicher Schwäche) eingeführter Begriff abgelehnt und nicht mehr verwendet. Der ersatzlose Verlust einer Wohnung und das damit verbundene (Über-)Leben ohne festen Wohnsitz wird als eine Erscheinungsform des sozialen Problems Obdach- oder Wohnungslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung/Benachteiligung verstanden. Betroffen sind überwiegend allein stehende Männer, die im Unterschied zu obdachlosen Familien und Alleinerziehenden zum großen Teil aus der kommunalen Versorgung mit Ersatzwohnraum herausfallen. Sie leben in der Regel ungeschützt im Freien, in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften oder im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 Bundessozialhilfegesetz in Einrichtungen der Nichtsesshaftenhilfe. Betroffen sind v. a. Arbeitnehmer mit keiner oder geringer beruflicher Qualifikation und entsprechend hohem Arbeitsplatzrisiko, Facharbeiter und Handwerker aus Krisenbranchen und -berufen, Gelegenheits- und Saisonarbeiter, (Langzeit-)Arbeitslose sowie aus Kliniken und Haft in ungesicherte soziale und wirtschaftliche Verhältnisse Entlassene. Neben den Kürzungen in der sozialen Sicherung hat die Massenarbeitslosigkeit sowie die Wohnungsknappheit die Zahl der Nichtsesshaften ansteigen lassen, die für Deutschland auf (1996) rd. 196 000 geschätzt wurde. Davon sind rd. 80 % Männer, der Frauenanteil ist von etwa 3-5 % Anfang der 80er-Jahre auf rd. 20 % gestiegen.
 
Literatur:
 
G. Albrecht u. a.: Lebensläufe. Von der Armut zur »Nichtseßhaftigkeit« oder wie man »Nichtseßhafte« macht (1990);
 V. Busch-Geertsema u. E.-U. Ruhstrat: Wohnungsnotfälle. Sicherung der Wohnungsversorgung für wirtschaftlich oder sozial benachteiligte Haushalte (1994);
 
Wohnungslos. Aktuelles aus Theorie u. Praxis zur Armut u. Wohnungslosigkeit, hg. v. der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (1995 ff.).

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Nịcht|sess|haf|te, der u. die; -n, -n <Dekl. ↑Abgeordnete> (Amtsspr.): jmd., der nicht ↑sesshaft (a) ist.

Universal-Lexikon. 2012.