Gas|tur|bi|ne 〈f. 19〉 Verbrennungskraftmaschine, die wie eine Dampfturbine gebaut ist
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Gas|tur|bi|ne, die:
durch Verbrennung von ↑ Gas angetriebene Turbine.
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Gas|turbine,
als hochtourige Strömungsmaschine gebaute, kontinuierlich arbeitende Wärmekraftmaschine, die mechanische Leistung entweder in Form von Wellenleistung (wie beim Verbrennungsmotor) abgibt oder Schubleistung (wie beim Strahltriebwerk) liefert.
Aufbau, Arbeitsverfahren:
Im Normalfall komprimieren ein oder mehrere Verdichter atmosphärischer Luft und fördern sie in eine oder mehrere Brennkammern, wo Brennstoff eingesprüht und entzündet wird. Eine Fremdzündung ist nur beim Anfahren der Gasturbine nötig. Die entstehenden Verbrennungsgase hoher Temperatur und hohen Drucks durchströmen eine oder mehrere nachgeschaltete Turbinen (z. B. eine Hochdruckturbine und eine als Arbeitsturbine wirksame Niederdruckturbine), wobei sie entspannt werden und ihre Druck- und Wärmeenergie in mechanische Energie umgewandelt wird, die z. B. als Rotationsenergie an den Turbinenwellen zur Verfügung steht. Ein Teil dieser Energie (z. B. der in der Hochdruckturbine anfallende) wird zum Antrieb der Verdichter und verschiedener Hilfsgeräte verbraucht. Der verbleibende Teil wird in der als Freifahrturbine ausgeführten Arbeitsturbine als nutzbare Wellenleistung abgenommen und kann dazu dienen, z. B. einen Generator zur Stromerzeugung, einen Gasverdichter, eine Pumpe oder auch Fahrzeuge anzutreiben. In Strahltriebwerken wird er zur Schuberzeugung genutzt, d. h., die aus dem dort mehrstufig ausgebildeten Turbinenteil austretenden Verbrennungsgase werden in einer Schubdüse auf Umgebungsdruck entspannt und dabei stark beschleunigt, wobei sie Strahlgeschwindigkeiten zwischen 500 und 1 000 m/s erreichen.
Die Verdichtung kann prinzipiell in einem Kolbenverdichter, durch Gasschwingungen (in einem Freikolbenverdichter) oder (meist) in einem Turboverdichter (Verdichter) erzeugt werden. Moderne Gasturbinen arbeiten fast ausschließlich nach dem Gleichdruckverfahren, bei dem sich der Druck während der Wärmezufuhr oder Verbrennung nur sehr wenig ändert. Der dabei ablaufende thermodynamische Kreisprozess aus Verdichtung, Wärmezufuhr und Entspannung ist der Joule-Prozess als eine Annäherung an den idealen Gasturbinenprozess (Ericsson-Prozess). Der Wirkungsgrad einer Gasturbine ist umso besser, je höher die Temperatur der in die Turbine eintretenden Verbrennungsgase und je niedriger die Temperatur der ins Freie ausströmenden Gase ist. Daher werden die aus der Turbine austretenden und noch heißen Verbrennungsgase meist durch einen nachgeschalteten Wärmetauscher geleitet, wo sie ihre Abwärme weitgehend an die Frischluft vor deren Eintritt in die Brennkammer abgeben können.
Statt der durch Verbrennung von Brennstoffen in einer Brennkammer erreichten Wärmezufuhr kann Wärmeenergie auch mittels eines Wärmetauschers dem (den Verdichter als »Kaltgas« verlassenden) Arbeitsmittel zugeführt werden. Dies ist z. B. bei Gasturbinen mit geschlossenem Kreislauf der Fall, bei denen das umlaufende Arbeitsmittel (Luft oder Helium in Heißluft- beziehungsweise Heliumturbinen) in einem Ericsson- oder Ackeret-Keller-Prozess verdichtet, erhitzt, entspannt und rückgekühlt wird. Dieser von J. Ericsson beziehungsweise J. Ackeret und C. Keller eingeführte Kreisprozess ist aber wegen der hohen Anlagekosten bisher noch wenig angewendet worden.
Bei der Gasturbine mit offenem Kreislauf wird Luft aus der Atmosphäre angesaugt, verdichtet und entweder in einer Brennkammer mit einem ununterbrochen zugeführten Brennstoff verbrannt oder in einem Wärmetauscher erhitzt; die heißen Gase treten nach Arbeitsleistung in der Turbine wieder in die Atmosphäre aus.
Die Entwicklung und Weiterentwicklung der Gasturbine hat entscheidende Impulse aus dem Bau von ortsfesten Anlagen mit großen Lebensdauern (über 100 000 Stunden) und aus der Entwicklung der Strahltriebwerkstechnik für die Luftfahrt bezogen. Gasturbinen sind heute praktisch für alle Leistungsbereiche brauchbar. Die wirtschaftlichen Wirkungsgrade liegen zwischen 15 % (niedrig verdichtende Einfachstanlagen) und 40 % (Anlagen mit großem Druckverhältnis und hoher Verbrennungstemperatur). Mit Abgasverwertung (Abgasturbine) sind noch wesentlich höhere Wirkungsgrade zu erreichen. Die Druckverhältnisse der Gesamtverdichtung liegen zwischen 3 und 40, die Brennkammertemperatur liegt zwischen 900 K (= 627 ºC) und 2 000 K (= 1 727 ºC). Heute ist man in der Lage, bei Gasturbinen größerer Leistungen (z. B. 5 000 kW) den spezifischen Brennstoffverbrauch des Dieselmotors vergleichbarer Leistung zu unterschreiten. Zu den seit langem bekannten Eigenschaften der Gasturbine wie hohe Leistungskonzentration (Leistung je Bauvolumen) und niedriges Leistungsgewicht kommt somit eine hohe Wirtschaftlichkeit hinzu. Die Messungen der Schadstoffemissionen bei Hochtemperaturgasturbinen mit höherem Wirkungsgrad und größerer Leistung weisen einen geringeren Schadstoffausstoß aus, sodass heutige Gasturbinen bereits erheblich umweltfreundlicher als Verbrennungskolbenmotoren sind. Schließlich werden an den Kraftstoff (z. B. Kerosin) keine hohen Qualitätsanforderungen gestellt.
Anwendungen:
Die über die Strahlleistung schuberzeugende Flugzeuggasturbine dient als Antriebsaggregat für über 90 % der Transportkapazität der Weltluftfahrt; sie ist in den meisten Militärflugzeugen der Gegenwart eingebaut. Als Wellentriebwerk findet die Gasturbine vornehmlich in Hubschraubern, im Schiffbau, bei Pumpstationen (z. B. für Pipelines), Gasturbinenkraftwerken, kombinierten Gasturbinen-Dampfturbinen-Kraftwerken, Notstrom-, Spitzenstrom- und transportablen Kraftwerken (Gasturbosatz) Anwendung. Als Lokomotivantrieb bewährt sich die Gasturbine vielerorts; für Straßenfahrzeuge kommt sie in gewissen Grenzen infrage. Eine weitere Einsatzmöglichkeit wären Kernkraftwerke auf der Basis des Hochtemperaturreaktors.
Bereits das erste Patent von J. Barber 1791 in Großbritannien und dann die Entwicklungsarbeiten von F. Stolze in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts zeigten eine entscheidende Schwierigkeit: Eine Nutzleistung nach außen kann nur dann abgegeben werden, wenn die gesamte Expansionsleistung in der Turbine größer als die Kompressionsleistung des Verdichters ist. Die erste selbstständig laufende und Nutzleistung liefernde Anlage wurde in Paris 1905 von R. Armengaud und C. Lemâle gebaut. Sie hatte einen Wirkungsgrad von 2 bis 3 %. Die Schwierigkeit, einen aerodynamisch einwandfrei arbeitenden Verdichter zu bauen, war Anfang des 20. Jahrhunderts so groß, dass man sich zu einem diskontinuierlichen Arbeitsverfahren entschloss, bei dem die Druckerhöhung zum Teil in einer kurzzeitig allseits geschlossenen Brennkammer (Verpuffungsbrennkammer) erreicht wurde (H. Holzwarth). Die ersten einsatzfähigen Gasturbinen liefen in den 20er-Jahren nach diesem Prinzip. Ende der 30er-Jahre wurde erstmals von einer kontinuierlich arbeitenden Gasturbine mit Gleichdruckverbrennung (nach einem Patent von Stolze) ein Generator angetrieben und Strom erzeugt. Mitte bis Ende der 30er-Jahre setzte unabhängig voneinander in Großbritannien (Sir F. Whittle) und in Deutschland die Strahltriebwerksentwicklung ein, hier durch Hans-Joachim Pabst von Ohain (* 1911; Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke), Anselm Franz (* 1900; Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG) und H. Oestrich (Bayerische Motorenwerke AG).
A. Stodola: Dampf- u. Gasturbinen (51922, Nachdr. 1986);
F. Whittle: Gasturbine aero-thermodynamics (Oxford 1981);
H. Hagen: Fluggasturbinen u. ihre Leistungen (1982);
W. Stoffels: Turbotrains international (Basel 1983);
A. Urlaub: Flugtriebwerke. Grundlagen, Systeme, Komponenten (21995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Turbine: Maschine zur Erzeugung mechanischer Energie
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Gas|tur|bi|ne, die: durch Verbrennung von ↑Gas angetriebene Turbine.
Universal-Lexikon. 2012.