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Zweitsprachenerwerb
Zweitsprachen|erwerb,
 
im engeren Sinn der Erwerb einer zweiten Sprache (L 2; L Abkürzung für lateinisch lingua oder englisch language) zu einem Zeitpunkt, da die erste (L 1) bereits ganz oder teilweise beherrscht wird. Im weiteren Sinn wird oft auch der Erwerb einer dritten Sprache (L 3) oder weiterer Sprachen unter Zweitsprachenerwerbsforschung erfasst. Der L-2-Erwerb folgt in zahlreichen Aspekten den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie der L-1-Erwerb (Spracherwerb). Ein wesentlicher Unterschied zum Erstspracherwerb ist durch die Bedeutung von Interferenzen im Rahmen des Zweitsprachenerwerbs gegeben. Sie entstehen, indem Strukturen aus zuvor gelernten Sprachen auf systematischer Weise auf später erlernte übertragen werden. Interferenzen treten daher weitgehend unvermeidbar auf; sie sind ein integrierter Bestandteil der Art, wie Zweitsprachen erlernt werden.
 
Die Zweitsprachenerwerbsforschung ist eine unentbehrliche Grundlagendisziplin für den Fremdsprachenunterricht. Am nichtschulischen L-2-Erwerb lässt sich erkennen, was Schüler als eigene Sprachlernfähigkeit für den Fremdsprachenunterricht mitbringen und welchen Effekt Schule, Lehrer und Lehrmaterialien auf den Zweitsprachenerwerb haben. Ferner ist der L-2-Erwerb für die Forschung zum L-1-Erwerb unentbehrlich, um den Einfluss der nichtsprachlichen kognitiven Faktoren auf den Spracherwerb zu ermitteln. Bei kleinen Kindern erfolgt z. B. die sprachliche und die allgemeine intellektuelle Entwicklung zur gleichen Zeit, sodass schwer zu erkennen ist, ob und wie sich beide beeinflussen. Wenn aber Erwachsene und achtjährige Kinder beim Zweitsprachenerwerb die gleichen Fehler machen wie kleine Kinder beim L-1-Erwerb, können solche Fehler kaum durch fehlende allgemeine intellektuelle Entwicklung erklärt werden; die Ursache muss daher in allen Fällen rein sprachlicher Art sein.
 
Zweite und weitere Sprachen können jederzeit während des gesamten Lebens erlernt werden, wobei das erreichte Niveau stark variieren kann. Es trifft nicht zu, dass nur Kinder erfolgreich eine L 2 erlernen können, wenn ihnen dies auch meist besser als Erwachsenen gelingt; die Gründe hierfür sind noch nicht hinreichend geklärt.
 
Die Erforschung des Zweitsprachenerwerbs setzte verhältnismäßig spät ein. Ende der 1960er-Jahre erhielt sie - auch außerhalb Europas - v. a. vor dem Hintergrund der Arbeitsmigration (und damit im Zusammenhang mit Personen, die die Sprache des jeweiligen Gastlandes ohne Zuhilfenahme von Fremdsprachenunterricht erlernten) starke Impulse.
 
Literatur:
 
S. W. Felix: Linguist. Unterss. zum natürl. Z. (1978);
 W. Klein u. N. Dittmar: Developing grammars. The acquisition of German syntax by foreign workers (Berlin 1979);
 H. Clahsen u. a.: Deutsch als Zweitsprache. Der Spracherwerb ausländ. Arbeiter (1983);
 H. Wode: Learning a second language. An integrated view of language acquisition (Tübingen 21983);
 H. Wode: Psycholinguistik. Eine Einf. in die Lehr- u. Lernbarkeit von Sprachen (1993).

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Zweit|spra|chen|er|werb, der: Erwerb einer zweiten Sprache zu einem Zeitpunkt, da die erste bereits ganz od. teilweise beherrscht wird.

Universal-Lexikon. 2012.