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sorbische Sprache
sọrbische Sprache,
 
häufig auch wẹndische Sprache oder lausitzische Sprache, westslawische Sprache (slawische Sprachen), die sich in die beiden Schriftsprachen Nieder- und Obersorbisch gliedert; Niedersorbisch wird von rd. 20 000 Sorben in der brandenburgischen Niederlausitz mit dem Zentrum Cottbus gesprochen, Obersorbisch von rd. 40 000 Sorben in der sächsischen Oberlausitz mit dem Zentrum Bautzen. Neben den beiden Schriftsprachen werden zahlreiche Dialekte gesprochen.
 
Die Unterschiede zwischen dem Ober- und Niedersorbischen lassen sich grundsätzlich durch eine größere Nähe des Ersteren zur tschechischen, des Letzteren zur polnischen Sprache erklären. Außer phonetischen und grammatischen gibt es eine Reihe lexikalischer Unterschiede. Beide sorbische Schriftsprachen verwenden ein dem Tschechischen ähnliches, durch diakritische Zeichen ergänztes Alphabet.
 
Phonetik, Phonologie:
 
Das Vokalsystem besteht jeweils aus sieben Phonemen (i, ě, e, a, o, ó, u); ě wird zwischen e und i oft als Diphthong [i̯e] ausgesprochen, ó zwischen engem o und u, bei langsamer Aussprache diphthongisch als [uo̯], nach neuesten orthoep. Grundsätzen im Niedersorbischen häufig als [œ]. Das Konsonantensystem unterscheidet sich besonders hinsichtlich der stumpfen Sibilanten, die im Niedersorbischen zwei Reihen bilden (š-ś, ž-ź, č-ć), im Obersorbischen dagegen nur eine Reihe (š, ž, č, dź). Stark ausgeprägt sind sowohl im Obersorbischen als auch im Niedersorbischen die Stimmton- und Palatalitätskorrelation. Im absoluten Auslaut werden alle stimmhaften Konsonanten stimmlos, ansonsten findet regressive Stimmangleichung statt. In Deklination, Konjugation und Wortbildung sind das Ober- und Niedersorbische durch eine Reihe von Konsonanten- und Vokalalternationen gekennzeichnet. Der Wortakzent liegt in der Regel auf der ersten Silbe, jedoch kommt bei vier- oder mehrsilbigen Wörtern noch ein Nebenakzent auf der vorletzten Silbe hinzu.
 
Die Morphologie weist einen zum Teil archaischen Formenreichtum auf. Das Nomen unterscheidet drei Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum), drei Numeri (Singular, Dual, Plural) und sechs Kasus, zu denen im Obersorbischen noch ein Vokativ beim Maskulinum Singular hinzukommt. Die Kategorie der Belebtheit (Gebrauch der Genitivform für den Akkusativ) erstreckt sich im Niedersorbischen auf die männlichen Lebewesen im Singular, Dual und - mit Einschränkungen - im Plural Im Obersorbischen erfasst sie nur den Singular und ist im Dual und Plural auf männliche Personen beschränkt. Für diese gibt es im Obersorbischen im Nominativ Plural besondere Formen (Personalform). - Das Adjektiv kennt keine Kurzform und verwendet die Langform sowohl attributiv als auch prädikativ. - Das Verb weist, wie in allen slawischen Sprachen, den Aspekt auf. Wie beim Nomen werden Dualformen gebildet. Das differenziert ausgebaute Tempussystem verfügt u. a. neben einem periphrastischen Perfekt und Plusquamperfekt über die synthetischen Vergangenheitsformen des Imperfekts (von imperfektiven Verben gebildet) und des Aorists (von perfektiven Verben gebildet); Letztere werden im Niedersorbischen jedoch nur schriftsprachlich verwendet. Im Niedersorbischen gibt es besondere Formen für ein Supinum, das nach Verben der Bewegung statt des Infinitivs gebraucht wird.
 
Die Lexik weist einen umfangreichen alten slawischen Bestand auf. Der in jüngerer Zeit entstandene Wortschatz zeichnet sich durch viele Lehnübersetzungen aus dem Deutschen aus. In den Dialekten sind auch deutsche Lehnwörter sehr verbreitet. Seit dem 19. Jahrhundert wurde dem Einfluss des Deutschen durch Einführung von Slawismen in die Schriftsprachen entgegengewirkt.
 
Trotz des kleinen Sprachgebiets existieren zahlreiche Dialekte. Neben den im Kerngebiet des Obersorbischen und des Niedersorbischen gesprochenen Dialekten gibt es an der Grenze zwischen der Ober- und Niederlausitz eine Gruppe von Übergangsmundarten. Sie sind im Gebiet zwischen Senftenberg und Weißwasser verbreitet.
 
Schutz und Förderung der sorbischen Sprache werden seit 1948 durch besondere Gesetze geregelt (u. a. Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung von 23. 3. 1948, Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg vom 7. 7. 1994).
 
Literatur:
 
C. T. Pfuhl: Obersorb. Wb. (1866, Nachdr. Bautzen 1968);
 C. T. Pfuhl: Laut- u. Formenlehre der oberlausitzisch-wend. Sprache (1867);
 E. Mucke: Histor. u. vergleichende Laut- u. Formenlehre der niedersorb. (niederlausitzisch-wend.) Sprache (1891, Nachdr. Leipzig 1965);
 E. Mucke: Wb. der niedersorb. Sprache u. ihrer Dialekte, 3 Bde. (Neudr. Bautzen 1980-86);
 F. Rězak: Dt.-sorb. enzyklopäd. Wb. der Oberlausitzer s. S. (1920, Nachdr. Bautzen 1987);
 B. Šwjela: Gramm. der niedersorb. Sprache (Bautzen 21952);
 B. Šwjela: Dt.-niedersorb. Taschen-Wb. (ebd. 1953);
 B. Šwjela: Dolnoserbsko-němski słownik (ebd. 21963);
 
Serbska bibliografija. Sorb. Bibliogr., bearb. v. J. Młyńk u. I. Gardoš, auf mehrere Bde. ber. (ebd. 1959 ff.);
 E. Eichler: Studien zur Frühgesch. slaw. Mundarten zw. Saale u. Neiße (Berlin-Ost 1965);
 
Sorb. Sprachatlas, bearb. v. H. Fasske u. a., 15 Bde. (Bautzen 1965-96);
 H. Schuster-Šewc: Bibliogr. der sorb. Sprachwiss. (ebd. 1966);
 H. Schuster-Šewc: Grammatika hornjoserbskeje rěče, 2 Bde. (ebd. 1968-76);
 H. Schuster-Šewc: Historisch-etymolog. Wb. der ober- u. niedersorb. Sprache, 4 Bde. (ebd. 1978-89);
 H. Fasske: Gramm. der obersorb. Schriftsprache der Gegenwart. Morphologie (ebd. 1981);
 M. Starosta: Niedersorb.-dt. Wb. (ebd. 1985);
 H. Jenč u. a.: Słownik Němsko-hornjoserbski (ebd. 1986);
 H. Nowak: Powědamy dolnoserbski - Gutes Niedersorbisch (ebd. 1988);
 
Dt.-obersorb. Wb., begr. v. R. Jentsch, bearb. v. H. Jentsch, 2 Bde. (ebd. 1989-91);
 
Słownik hornjoserbsko-němski, bearb. v. L. Budarjowa u. a. (ebd. 1990).

Universal-Lexikon. 2012.