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Positivismusstreit
Positivịsmusstreit,
 
sozialwissenschaftliche Kontroverse, die im Anschluss an die Referate K. R. Poppers und T. W. Adornos auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1961 in Tübingen ausbrach und für den »kritischen Rationalismus« v. a. von H. Albert, für die Vertreter der »kritischen Theorie« v. a. von J. Habermas weitergeführt wurde. Der Positivismusstreit bestimmte Ende der 60er-Jahre und in der Folgezeit die Debatte um die Grundlagen, die Zielsetzung und die Abhängigkeit sozialwissenschaftlicher Methoden und Ergebnisse von gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Interessenlagen. Während der kritische Rationalismus auf einer an der Falsifizierbarkeit und Prüfbarkeit orientierten Arbeit mit Hypothesen, auf der Leitidee einer wertfreien Wissenschaft und auf der sozialtechnologischen Anwendbarkeit der Ergebnisse bestand, sah die Gegenseite hierin eine unzulässige Abkoppelung der wissenschaftlichen Erkenntnisse von gesamtgesellschaftlichen Problemlagen, eine Zurichtung der jeweiligen Forschungsergebnisse auf rein instrumentelle Fragestellungen und letztlich den Verzicht auf die Anschließbarkeit sozialwissenschaftlichen Forschens an das Programm einer gesellschaftlichen Emanzipation, eine Zielvorstellung, die den kritischen Rationalisten wiederum als Einführung eines wissenschaftlichen unzulässigen »apriorischen« Maßstabes erschien; letztlich ging es um die Auseinandersetzung zwischen Vertretern einer »großen Theorie« und den Vertretern eines bescheideneren, anwendungsorientierten Forschungsansatzes für bestimmte Handlungsfelder, eine Fragestellung, die auch noch die Sozialforschung der Gegenwart betrifft.
 
Literatur:
 
Theorie u. Realität, hg. v. H. Albert (21972);
 J. Habermas: Zur Logik der Sozialwiss.en (Neuausg. 1985);
 
Der P. in der dt. Soziologie, Beitrr. v. T. W. Adorno u. a. (Neuausg. 1993);
 R. Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Gesch., theoret. Entwicklung, polit. Bedeutung (41993);
 H.-J. Dahms: P. (1994).

Universal-Lexikon. 2012.