Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976
Den nach dem 2. Weltkrieg verstärkt vorgetragenen Forderungen nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf der Unternehmensebene wurde mit dem Mitbestimmungsgesetz von 1951 nur für die Montanindustrie (Kohle und Stahl) Rechnung getragen. Im übrigen Bereich der Wirtschaft wurde für Kapitalgesellschaften im Betriebsverfassungsgesetz 1952 die Besetzung eines Drittels der Aufsichtsratssitze durch Arbeitnehmer vorgeschrieben (Mitbestimmung und Betriebsverfassung). So blieb die Forderung der Gewerkschaften und der SPD bestehen, die paritätische Mitbestimmung nach dem Montanmodell auf die ganze Wirtschaft auszudehnen. Die Regierung der Großen Koalition (1966-69) beschäftigte sich mit dem Problem, bestellte aber zunächst einmal bei Professor Kurt Biedenkopf ein Gutachten, das sich dann gegen die Einführung der paritätischen Mitbestimmung aussprach. Die erste Regierung Brandt/Scheel klammerte die Frage aus und beschränkte sich auf die Reform der betrieblichen Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz 1972.
Nach der Bundestagswahl von 1972 ging die sozialliberale Koalition das Problem der überbetrieblichen Mitbestimmung an. Zwischen den Koalitionspartnern bestanden zunächst unüberbrückbare Gegensätze, da die FDP die Verfügungsgewalt der Kapitalseite nicht eingeschränkt wissen wollte. Nach langem Ringen wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, der die Grundlage des am 1. Juli 1976 in Kraft getretenen Mitbestimmungsgesetzes bildete: Danach sind die Aufsichtsräte von Unternehmen mit mehr als 2 000 Beschäftigten zu gleichen Teilen mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen. Die Gewerkschaften können mindestens zwei Arbeitnehmervertreter entsenden, die übrigen Arbeitnehmersitze werden auf Arbeiter, Angestellte und leitende Angestellte aufgeteilt. Geht im Aufsichtsrat die Abstimmung über einen Gegenstand unentschieden aus, so hat der mit dem Vertrauen der Anteilseigner ausgestattete Vorsitzende bei einer erneuten Abstimmung zwei Stimmen, mit denen er den Ausschlag geben kann. Dies gilt auch bei der Wahl der Vorstandsmitglieder.
Auch nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes gingen die Auseinandersetzungen weiter. Die Gewerkschaften kritisierten, dass durch Unternehmensaufspaltungen das Gesetz teilweise unterlaufen wird. Die Unternehmerverbände sahen das Recht auf Eigentum verletzt und legten Verfassungsbeschwerde ein, scheiterten damit jedoch beim Bundesverfassungsgericht.
Universal-Lexikon. 2012.