Ludwig, amerikanischer Architekt deutscher Herkunft, * Aachen 27. 3. 1886, ✝ Chicago (Illinois) 17. 8. 1969; arbeitete 1905-07 bei B. Paul, 1908-11 bei P. Behrens, ab 1912 in Berlin selbstständig. 1930-33 war er Direktor des Bauhauses. 1937 emigrierte er in die USA und wurde Leiter der Architekturabteilung des Illinois Institute of Technology in Chicago (IIT, 1938-58), 1944 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. - Mies van der Rohes Bauten waren zunächst noch von einem neoklassizistischen Stil in der Nachfolge K. F. Schinkels geprägt (Entwurf für Haus Kröller in Den Haag, 1912). Er griff jedoch bald zeitgenössische sachliche Gestaltungstendenzen auf. Nachhaltigen Einfluss auf seine Entwicklung hatten u. a. die Novembergruppe, die Stijl-Gruppe, neben Behrens auch die Architekten P. Berlage, H. Häring und R. Schwarz, nicht zuletzt auch R. Guardini und die Auseinandersetzung mit dem Werk F. Nietzsches. Ab 1919 entstanden Entwürfe für Hochhäuser in dreieckigen oder kurvigen Formen, die durch die Verwendung von Glas und Stahlbeton auf eine neuartige Leichtigkeit und Belebung der Fassaden durch Lichtreflexe abzielten. 1927 errichtete er erstmals einen Wohnblock in Stahlskelettbauweise (Weißenhofsiedlung in Stuttgart). Im Deutschen Pavillon der Weltausstellung in Barcelona (1929; rekonstruiert 1986) verwirklichte er am konsequentesten seine Vorstellungen von »fließenden Räumen« (Wände sind ohne tragende Funktion, nur noch Versatzelemente mit ästhetischer Bedeutung aus Edelhölzern, Marmor, Glas) sowie von der Einheit von Innen- und Außenbau bei hoher technischer Perfektion. Diese Gestaltungsprinzipien übertrug er im Haus Tugendhat in Brünn (1928-30) auf ein Wohnhaus. Ab 1939 arbeitete er an einem Plan für die Neugestaltung des Hochschulgeländes des IIT; bezeichnend für die Gesamtanlage der ab 1944 errichteten Bauten sind die Gruppierung von rechteckigen, flachen Kuben mit halb offenen Höfen und Passagen, sichtbare Stahlprofile, exakt errechnete Proportionen und die Präzision aller Details. Motive wie den offenen Pavillon oder große »schwebende« Plattformen variierte Mies van der Rohe in verschiedenen Bauten unterschiedlichen Maßstabs (Haus Farnsworth in Plano, Illinois, 1946-51; Crown Hall des IIT, 1950-56). Betonskelett und Stahlskelettkonstruktionen bestimmten seine exemplarischen (Wohn-)Hochhäuser: Promontory Apartments (1946-49) und Lake Shore Drive Apartments in Chicago (1948-51), Seagram Building in New York (1954-58). Beim Entwurf der Neuen Nationalgalerie in Berlin (1962-67) griff er erneut die Pavillonform auf; obwohl zweigeschossig, wirkt der Bau von drei Seiten eingeschossig. - Neben Le Corbusier, W. Gropius und F. L. Wright gehört Mies van der Rohe zu den stilprägenden Architekten der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts; in den 1940er-Jahren entstand unter seinem Einfluss die Second School of Chicago (Chicagoer Schule). Seine Möbelentwürfe wirkten auf das Möbeldesign.
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W. Tegethoff: M. v. d. R. Die Villen u. Landhausprojekte (1981);
Franz Schulze: M. v. d. R. A critical biography (Chicago, Ill., 1985);
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W. Blaser: M. v. d. R. The art of structure (Neuausg. Basel 1993);
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D. Spaeth: M. v. d. R. Der Architekt der techn. Perfektion (a. d. Amerikan., 21995).
Universal-Lexikon. 2012.