Lakatos
['lɔkɔtɔʃ], Imre, britischer Wissenschaftshistoriker und -theoretiker ungarischer Herkunft, * Budapest 9. 11. 1922, ✝ London 2. 2. 1974; während der deutschen Besetzung Ungarns Mitglied der Widerstandsbewegung, dann kurzzeitig überzeugter Kommunist, 1950-53 wegen »Revisionismus« in Haft; 1956 Flucht nach Wien; ab 1969 Professor für Logik an der London School of Economics. Lakatos war einer der wichtigsten Vertreter der Philosophie der Mathematik im 20. Jahrhundert und neben K. R. Popper führender Vertreter des kritischen Rationalismus. Lakatos' Theorie der Wissenschaftsgeschichte und des Erkenntnisfortschritts steht zwischen Popper und T. S. Kuhn (»Kuhn-Popper-Lakatos-Debatte«). Lakatos modifizierte Poppers Falsifikationstheorie durch den Hinweis, dass nicht schon eine singuläre Beobachtungsaussage hinreichend sei, um eine wissenschaftliche Theorie außer Geltung zu setzen, sondern erst das Vorliegen einer »besseren« Theorie, die zugleich die wissenschaftliche Entdeckung neuer Tatsachen ermögliche. Die Wissenschaftsentwicklung ist nach Lakatos durch eine Kontinuität sich ablösender Theorien in Form von Forschungsprogrammen gekennzeichnet, für deren Erfolg Lakatos normative Regeln nennt (z. B. »progressive Problemverschiebung«).
Werke: Proofs and refutations. The logic of mathematical discovery (herausgegeben 1976; deutsch Beweise und Widerlegungen. Die Logik mathematischer Entdeckungen); Mathematics, science and epistemology (herausgegeben 1978; deutsch Mathematik, empirische Wissenschaft und Erkenntnistheorie); The methodology of scientific research programmes (herausgegeben 1978; deutsch Die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme).
Herausgeber: Criticism and the growth of knowledge (1970, mit A. Musgrave; deutsch Kritik und Erkenntnisfortschritt).
Universal-Lexikon. 2012.