Kirgisen,
früher Karakirgisen, mongolides turksprachiges Volk im Gebiet der Hochgebirge Zentralasiens (Tienschan, Kunlun Shan, Pamir, Alaigebirge), etwa 2,7 Mio. Menschen, davon 2,23 Mio. in Kirgistan, 0,3 Mio. in anderen GUS-Staaten, v. a. in den angrenzenden Gebieten Usbekistans, Tadschikistans (Pamir) und Kasachstans, sowie 0,14 Mio. in China im autonomen Gebiet Sinkiang. Von den in Afghanistan (im Wachangebiet des Pamir) lebenden Kirgisen, Nachkommen von Flüchtlingen aus der Zeit der bolschewistischen Zwangssesshaftmachung, sind viele seit dem Bürgerkrieg nach Pakistan und in die Türkei geflohen.
Früher lebten die Kirgisen als Nomaden (besonders Schaf- und Pferde-, in jüngerer Zeit auch Rinderzucht) mit kurzen Wanderwegen. Ein Zwang zum Feldbau ergab sich oft durch Verlust der Herden, im 19. Jahrhundert auch durch Einschränkung des Weidegebiets als Folge russischer Kolonisation. Traditionelle Wohnweise war die in Filzjurten, seit dem 19. Jahrhundert gibt es feste Lehmhäuser bei den Winterweiden. Früher wurden auch die Kasachen oft irrtümlich als Kirgisen bezeichnet.
Die Kirgisen waren früher in zahlreiche Stämme untergliedert, die v. a. zwei größeren Gruppen (rechter und linker Flügel) oder den Ichkilik zugeordnet waren. Daneben standen einige kleinere Stämme heterogener Herkunft, die zum Teil bis heute gewisse Besonderheiten bewahren. Ihre eher oberflächliche Bekehrung zum sunnitischen Islam (ursprüngliche Glaubensvorstellungen blieben erhalten) war erst im 19. Jahrhundert vollendet.
Das Volk der Kirgisen entstand seit der Mongolenzeit aus der Vereinigung von Turkstämmen und mongolischen Stämmen. Unklar ist, ob ein den Chinesen seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. bekanntes, von ihnen Kien-K'un genanntes Volk mit den archäologisch bezeugten Jennissej-Kirgisen identisch ist und als direkter Vorfahr der heutigen Kirgisen gelten kann. Die als Hirtennomaden geschilderten Jennissej-Kirgisen siedelten ursprünglich zwischen dem oberen Jennissej und dem Altai, vernichteten im 9. Jahrhundert das Uigurenreich und wanderten während der Mongolenherrschaft (seit dem 13. Jahrhundert) weiter westlich in den Tienschan, wo sich schließlich die heutige Kirgisennation herausbildete. Zur Geschichte Kirgistan.
Die kirgisische Sprache (früher auch Karakirgisisch) gehört (aufgrund des kasachischen Einflusses nach 1917) einerseits zur Nordwestgruppe der Turksprachen, andererseits ist sie durch ältere Merkmale mit den sibirischen Turksprachen, besonders mit dem Altaischen, verbunden. Sie umfasst nördliche (Basis der Schriftsprache) und südliche Dialekte; Letztere zeigen Einflüsse des Usbekischen. Die Schriftsprache entwickelte sich nach 1917 und wurde bis 1939 und wieder seit 1992 in lateinischer, dazwischen in kyrillischer Schrift geschrieben.
Zur Volksdichtung gehört das Manas-Epos. Einige Volksdichter wie Togolok Moldo (* 1860, ✝ 1942) und Toktogul Satylganow (* 1864, ✝ 1933, offiziell als Begründer der kirgisischen Sowjetliteratur betrachtet) versuchten, das traditionelle Moment mit zeitgenössischer Thematik zu verbinden. Im Rahmen der Sowjetliteratur entwickelten sich besonders die realistische Prosa (z. B. bei Tügelbaj Sydybekow, * 1912) und die Lyrik. Herausragender Autor der Moderne ist T. Ajtmatow.
Očerki istorii kirgizskoj sovetskoj literatury, hg. v. T. Sydybekov u. a. (Frunse 1961);
R. J. Hebert: Kirghiz manual (Neuausg. Bloomington, Ind., 1964);
G. Imart: Le kirghiz (Aix-en-Provence 1981).
Universal-Lexikon. 2012.