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Volkswirtschaft: Homo oeconomicus, ein Modell
Volkswirtschaft: Homo oeconomicus, ein Modell
 
Ein Menschenbild ist eine allgemeine Vorstellung über einen Menschentyp und seine Wesensmerkmale. Dabei können biologische, psychologische oder kulturelle Wesensmerkmale unterschieden werden. Das Denken in Modellen ist für die Wirtschaftstheorie kennzeichnend. Modelle sind immer vereinfachende Abbildungen eines Ausschnitts aus der Realität. Zu einem ökonomischen Modell gehört auch die Vorstellung eines typischen Menschen.
 
Der Erklärungsgehalt eines ökonomischen Modells ist umso höher, je wirklichkeitsnäher das zugrunde liegende Menschenbild ist. Wenn man realistische Schlussfolgerungen aus der Betrachtung und Analyse ökonomischer Modelle ziehen möchte, muss das Menschenbild ebenfalls möglichst realistisch sein. Idealtypische Vorstellungen, wie sie etwa in einem gewünschten »neuen« und »besseren Menschen« zum Ausdruck kommen, stehen auf unsicherem Boden. Für die Gestaltung volkswirtschaftlicher Systeme ist der Mensch so zu nehmen, wie er ist. Er darf also nicht - wie auch immer - ideologisch verklärt werden. Nur so können die künftigen Auswirkungen einer neuen wirtschaftspolitischen Maßnahme realistisch abgeschätzt werden.
 
 Der klassische Homo oeconomicus
 
Der Homo oeconomicus verkörpert das idealtypische Menschenbild der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie. Die Beschreibung des Homo oeconomicus ist auf diejenigen Wesenszüge begrenzt, die das wirtschaftliche Handeln betreffen. Im strengen Sinne verfügt der Homo oeconomicus über ein widerspruchsfreies Zielsystem (ohne Zielkonflikte) und er entscheidet rational. Er wählt immer die Alternative, die gemäß seinen Zielen die beste Entscheidung darstellt, und er handelt immer zu seinem Vorteil. Ein Unternehmer versucht seinen Gewinn zu maximieren, eine Privatperson strebt danach, ihren Nutzen ständig zu erhöhen. Eine Person handelt auch dann rational, wenn sie die teurere (kostenintensivere) Möglichkeit wählt, dafür aber die Variante nimmt, die beispielsweise ihren ethischen Zielen entspricht oder ihr mehr Freizeit verschafft. Der Homo oeconomicus handelt nach dem ökonomischen Prinzip, entweder mit gegebenen Mitteln (z. B. Gütern) den größtmöglichen Erfolg (z. B. Nutzen) zu erzielen oder ein vorgegebenes Ziel (z. B. Output) mit einem möglichst geringen Aufwand (z. B. Input) zu erreichen. Es wird auch angenommen, dass der Homo oeconomicus alle Entscheidungsalternativen kennt, das heißt, er verfügt über vollständige Information. Die Wirtschaftstheorie spricht hier auch von vollständiger Markttransparenz. Weiter hat er vollständige Voraussicht, er kann also die Konsequenzen seiner Handlungsalternativen genau abschätzen und uneingeschränkt Information aufnehmen.
 
 Abschwächung der strengen Annahmen
 
Die moderne Wirtschaftstheorie kritisiert das strenge Menschenbild des Homo oeconomicus, denn die Entscheidungssituationen, in denen sämtliche Alternativen und deren Konsequenzen bekannt sind, finden sich relativ selten. Außerdem besitzt der Mensch kein geschlossenes, widerspruchsfreies System von Zielen, Wünschen und Motiven, nach denen er handelt.
 
Demgegenüber geht die Teildisziplin Entscheidungstheorie von weniger strengen Annahmen über die menschlichen Wesensmerkmale aus. Denn sie unterscheidet zwischen Sicherheit, Risiko und Unsicherheit der Entscheidungskonsequenzen. Die »Entscheidungssituation unter Sicherheit« entspricht dem Bild des Homo oeconomicus. Im »Risikofall« sind die Alternativen, nicht aber ihre Konsequenzen eindeutig bekannt. Allerdings kennt man die Wahrscheinlichkeiten, mit denen die Konsequenzen eintreten können. Bei »Entscheidungen unter Unsicherheit« gibt es hingegen nicht einmal solche Wahrscheinlichkeitsaussagen. Eine Entscheidung des Homo oeconomicus kann unter der Bedingung herrschender Unsicherheit durchaus rational sein.
 
Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie entwickelte das Konzept des beschränkt rational handelnden Individuums, das vor allem auf der Erkenntnis basiert, dass der Mensch nur eine beschränkte Informationsmenge aufnehmen und verarbeiten kann. Seinen Entscheidungen liegt ein subjektives, unvollständiges, ungenaues und unsicheres Umweltbild zugrunde. Die Konsequenzen der Entscheidungsalternativen können nicht mehr eindeutig bewertet werden, da die menschliche Präferenzordnung weder widerspruchsfrei (konsistent) noch konstant bleibt. Psychische und soziale Faktoren beeinflussen die Entscheidungsqualität ebenso wie auch die Risikobereitschaft. Ein Anliegen der entscheidungstheoretischen Forschung liegt etwa in der Entwicklung von entscheidungsunterstützenden Methoden, welche die Informationsbeschaffung und -verarbeitung erleichtern. Es wird auch untersucht, wie eine Organisation gestaltet werden sollte, um rationale Entscheidungen zu begünstigen.

Universal-Lexikon. 2012.