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Wirtschaftssoziologie
Wirtschafts|soziologie,
 
spezielle Soziologie, die sich mit dem Anteil gesellschaftlicher Faktoren an wirtschaftlichen Erscheinungen und Aufgabenstellungen und mit den Rückwirkungen wirtschaftlicher Entwicklungen und Sachverhalte auf die Gesellschaft beschäftigt. Im Gegensatz zur Ansicht W. Sombarts, die Nationalökonomie falle in den Bereich der Sozialwissenschaften, weil sich aus soziologischer Sicht die Wirtschaft als »Teil der menschlichen Gesellschaft« darstelle, ist das Verhältnis der Wirtschaftssoziologie zu anderen Disziplinen wie Volks- und Betriebswirtschaftslehre, zur Wirtschaftspsychologie, aber auch zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und zu anderen speziellen Soziologien bisher nicht eindeutig bestimmt worden; gerade in historischer Hinsicht baut die Wirtschaftssoziologie auf den umfassenden, auch sozialphilosophisch geprägten Gesellschafts-, Wirtschafts- und Geschichtsentwürfen auf, die ab dem 18. Jahrhundert etwa von A. Smith, L. Stein und K. Marx vorgelegt wurden. Auch die Theoriemodelle von M. Weber, J. A. Schumpeter oder T. Parsons bezeichnen Rahmenvorstellungen, innerhalb derer speziell soziologischen Fragestellungen zur Wirtschaft verfolgt werden. - Auf einer makrosoziologischen Ebene treten die Wechselbeziehungen von Gesellschafts- und Wirtschaftsformen einerseits und einzelnen sozialen und wirtschaftlichen Teilbereichen sowie internationalen Zusammenhängen (z. B. der Entwicklungspolitik und den weltpolitischen Veränderungen nach 1990) andererseits in den Blick. Wichtige Fragestellungen gelten den kulturellen und politischen Voraussetzungen, die die Entwicklung eines Wirtschaftssystems ermöglichen oder verhindern können. Auf einer mittleren Ebene werden das Zusammenspiel und die Konflikte sozialer Gruppen und Klassen, des Staates und der privatwirtschaftlichen Akteure, unterschiedliche Organisationen und Verbände sowie die Veränderungen dieser Konstellationen durch sozialen Wandel, politische Eingriffe und Rahmenbestimmungen sowie nicht zuletzt aufgrund sozialer Lernprozesse und Auseinandersetzungen untersucht. In diesem Bereich gibt es Überschneidungen mit anderen speziellen Soziologien wie etwa der Unternehmersoziologie, der Betriebs- und Industrie- oder der Gruppensoziologie. - Schließlich treten in einer mikrosoziologischen, auch verhaltenstheoretischen Sichtweise einzelne Akteure (z. B. Unternehmer, Arbeiter und Angestellte sowie in der Konsumsoziologie als einem Zweig der Wirtschaftssoziologie [Konsum] Verbraucher und Händler) in ihrem jeweiligen wirtschaftlichen Verhalten und als sozial Handelnde in den Blick.
 
Literatur:
 
G. Eisermann: Wirtschaft u. Gesellschaft (1964);
 A. Burghardt: Allg. W. (1974);
 T. Parsons u. N. J. Smelser: Economy and society. A study in the integration of economic and social theory (Neuausg. London 1984);
 T. Kutsch u. G. Wiswede: W. Grundlegung, Hauptgebiete, Zusammenschau (1986);
 
Soziologie wirtschaftl. Handelns, hg. v. K. Heinemann (1987);
 K. Türk: Einf. in die Soziologie der Wirtschaft (1987);
 K. H. Hillmann: Allg. W. Eine grundlegende Einf. (1988);
 
W., hg. v. G. Reinhold (1988);
 N. Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft (21989);
 M. Weber: Wirtschaft u. Gesellschaft. Grundr. der verstehenden Soziologie (Neuausg. 1990);
 
Ökonomie u. Gesellschaft. Eine Slg. von Studientexten, hg. v. J. A. Schülein u. G. Bohmann (Wien 1994);
 E. Buß: Lb. der W. (21995).

Universal-Lexikon. 2012.