Wanderheuschrecken,
Bezeichnung für etwa zehn subtropische und tropische Arten von 2-8 cm langen Kurzfühlerschrecken, die in allen Kontinenten vertreten sind. Bei bestimmten Voraussetzungen neigen sie zu Massenvermehrung und Bildung von Wanderschwärmen mit bis zu Milliarden von Individuen, die zwischen den einzelnen Flugstrecken absoluten Kahlfraß anrichten.
Wanderheuschrecken treten in zwei unterschiedlichen Formen (Phasen) auf: in der Einzelphase (Solitärphase, Phasis solitaria), in der die Tiere einzeln leben, standorttreu und wenig schädlich sind, und in der Wanderphase (Phasis gregaria), in der die Tiere bei zunehmender Populationsdichte zur Bildung der Flugschwärme neigen. Die Wanderheuschrecken unterscheiden sich in diesen Phasen in Farbe, Körperform und Verhaltensweise. Günstige Ernährungs- und Witterungsbedingungen führen zu Massenvermehrung, bis bei einer bestimmten Populationsdichte der Phasenwechsel erfolgt. Die Umwandlung wird hormonal durch ein Pheromon gesteuert. Günstige Bedingungen für eine Massenvermehrung sind lockere Böden für eine gehäufte Eiablage, ausreichende Feuchtigkeit und Wärme für eine beschleunigte Entwicklung der Eier, sonnige Lage für die ausschlüpfenden Larven und ausreichende Nahrung für deren Heranwachsen. Große Schwärme können Flächen von über 100 km2 bedecken, wobei auf 1 km2 etwa 50 Mio. Wanderheuschrecken kommen (Gewicht rd. 100 t). Die in eine gemeinsame Richtung ziehenden hüpfenden Larven (»Hüpfer«) legen täglich etwa 5-15 km zurück. Die Flugschwärme hingegen bewältigen täglich 30-50 km und ziehen insgesamt bis zu 2 000 km weit. Ihre Flughöhe reicht bis 200 m über dem Boden, selten bis 1 000 m; die Fluggeschwindigkeit beträgt 12-18 km/h.
Die hormonell aktivierten Tiere haben einen außergewöhnlichen Nahrungsbedarf; sie fressen fast alle Pflanzenteile, auch holzige Zweige und Rinde. Nicht selten haben menschliche Kulturmaßnahmen (Entwaldung; unregelmäßige, aber starke Beweidung) die Voraussetzungen für die Massenentwicklung der Wanderheuschrecken geschaffen, die Entstehung der Wanderschwärme erfolgt jedoch nur in relativ kleinen Gebieten. Während sich noch im 19. Jahrhundert Schwärme am Unterlauf der Donau und in den Wolgasteppen entwickelten, gelangen heute Schwärme nur selten nach Europa. - Die Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) und die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) sind über Teile Asiens und Afrikas verbreitet, die Marokkanische Wanderheuschrecke (Dociostaurus maroccanus) lebt im nördlichen Afrika, die Rote Wanderheuschrecke (Nomadacris septemfasciata) in der Südhälfte Afrikas, die Felsengebirgsschrecke (Melanoplus spretus) in Nordamerika.
Die Bekämpfung ist nach wie vor sehr schwierig, eine internationale Koordinierung ist Voraussetzung dazu. In den Schwarmentstehungszentren wird der rechtzeitige Einsatz von Insektiziden angestrebt, biologische Verfahren werden erprobt.
Universal-Lexikon. 2012.