religionsgeschichtliche Schule,
Richtung innerhalb der evangelischen Theologie, die eine konsequente religionshistorische Betrachtung der biblischen Literatur des frühen Christentums im Kontext seiner Umwelt forderte. Begründet zwischen 1880 und 1893 in Göttingen durch Albert Eichhorn (* 1856, ✝ 1926), H. Gunkel, W. Bousset, J. Weiß, E. Troeltsch, W. Wrede, zu denen später C. C. Clemen, Hugo Greßmann (* 1877, ✝ 1927), W. Heitmüller und R. Bultmann traten, zog sie die Konsequenzen aus den Ergebnissen der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft, Orientalistik, Philologie, Ethnologie und Religionswissenschaft für die Erforschung von Bibel und früher Kirchengeschichte. Die Blütezeit endete mit dem Aufkommen der dialektischen Theologie nach 1918. Zu ihren bleibenden Anregungen gehören: die traditions- und literaturgeschichtliche Analyse der biblischen Schriften, die sozialgeschichtliche Fragestellung nach der Verwurzelung dieser Literatur und ihrer Verfasser in konkreten Gruppen beziehungsweise Institutionen (ihrem »Sitz im Leben«), die Erforschung der hellenistisch-spätantiken Religiosität als Hintergrund des frühen Christentums, das Durchdenken der Spannung zwischen historischer Relativierung religiöser Aussagen und dem Wahrheitsanspruch des Glaubens. Die religionsgeschichtliche Schule hat besonders auch die Leben-Jesu-Forschung beeinflusst.
C. Colpe: Die r. S. (1961);
Universal-Lexikon. 2012.