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Monophysitismus
Monophysitịsmus
 
[zu griechisch phýsis »Natur«] der, -, auf dem Boden der alexandrinischen Theologie seit Mitte des 5. Jahrhunderts entstandene christologische Auffassung, der zufolge es in Jesus Christus nicht zwei Naturen (eine göttliche und eine menschliche) gegeben habe, sondern nur die eine Natur des Fleisch gewordenen Wortes Gottes (Logos). Als erster bedeutender Vertreter des Monophysitismus vertrat Eutyches (wobei er sich auf Kyrill von Alexandria berief) die Ansicht, nach der Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur in Christus könne man nur noch von einer göttlichen Natur sprechen, die die Menschheit Christi ganz in sich aufsauge. Von der so genannten Räubersynode von Ephesos (449) als rechtgläubig bestätigt, konnte sich der Monophysitismus ungeachtet der 451 durch das Konzil von Chalkedon (das die Zweinaturenlehre festschrieb) erfolgten Verurteilung in weiten Kreisen des orientalischen Mönchtums behaupten. In der Folge diente der Monophysitismus einer Reihe von orientalischen Nationalkirchen in ihren Auseinandersetzungen mit der griechisch geprägten Reichskirche auch als »Abgrenzungsargument«. Unter dem von der byzantinischen Reichskirche erhobenen Vorwurf des Monophysitismus kam es zur Verselbstständigung einiger Kirchen. Zu ihnen gehören die westsyrische Kirche (Jakobiten), die armenische Kirche, die koptische Kirche und die äthiopische Kirche. Diese vertreten nach ihrem eigenen theologischen Selbstverständnis eine vorchalkedonische Theologie, die von ihnen als »miaphysitisch« (eine vereinigte Natur Christi), keinesfalls jedoch als »monophysitisch« beschrieben wird. Die seit dem Konzil von Chalkedon bestehenden gegenseitigen Lehrverurteilungen zwischen den orientalischen und den beiden großen aus der byzantinischen Reichskirche hervorgegangenen Kirchen, der orthodoxen und der katholischen, wurden fast 1 500 Jahre aufrechterhalten und theologisch grundsätzlich (allerdings noch nicht in jedem Fall kirchenrechtlich) erst durch die seit 1971 beziehungsweise 1985 geführten offiziellen orientalisch-katholischen beziehungsweise orientalisch-orthodoxen Lehrgespräche über ein gemeinsames Verständnis der Christologie und die ihr zu Grunde liegende Terminologie ausgeräumt.
 
Ausdruck der nach Chalkedon bestehenden Spannungen waren das Schisma des Acacius von Konstantinopel und die theopaschitische Kontroverse (ein Vorspiel des Dreikapitelstreites) zu Beginn des 6. Jahrhunderts, in der sich skythische Mönche um die Anerkennung der Formel »Einer aus den dreien hat gelitten« bemühten, die später auch von Johannes II. anerkannt wurde. Die ideengeschichtlich mit dem Apollinarismus (Apollinaris) verwandte und daher auch als solcher bezeichnete monophysitische Bewegung spaltete sich bald in zahlreichen Gruppierungen wie die Agnoeten und die Aphthartodoketen. Monophysitisches Denken liegt auch dem Monergismus und dem Monotheletismus zugrunde.
 
Literatur:
 
H.-G. Beck: Kirche u. theolog. Lit. im byzantin. Reich (21977);
 W. H. C. Frend: The rise of the Monophysite movement (Neuausg. Cambridge 1979);
 
Orthodoxie im Dialog. Bilaterale Dialoge der orth. u. orientalisch-orth. Kirchen 1945-1997. Eine Dokumentensammlung, hg. v. T. Bemer u. a. (1999).

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Mo|no|phy|si|tịs|mus, der; - [zu griech. phýsis = Natur]: altkirchliche Lehre, nach der die göttliche u. die menschliche Natur Christi zu einer einzigen neuen Natur, der Natur des Gottmenschen, geworden sind.

Universal-Lexikon. 2012.