Missionierung der Angelsachsen
Im Jahre 597 landete der ehemalige Prior des St. Andreasklosters in Rom, Augustinus, mit vierzig Begleitern an der Küste Kents, um im Auftrage Papst Gregors I. die heidnischen Angelsachsen zum Christentum zu bekehren. Dass Augustinus als erste Station seiner Missionsarbeit gerade Kent wählte, war kein Zufall, galt Kent doch unter den angelsächsischen Herrschaften als das der kontinentalen Tradition noch am engsten verbundene Königreich, außerdem hatte König Ethelbert von Kent mit der fränkischen Prinzessin Berta bereits eine Christin zur Frau. So führte Augustinus' Missionsarbeit schon bald zu sichtbaren Erfolgen. König Ethelbert und zahlreiche Große des Landes empfingen die Taufe, und auch über die Grenzen Kents hinaus gewann die römische Missionsbewegung langsam an Boden.
Nach den Vorstellungen Papst Gregors sollten im angelsächsischen Britannien zwei Erzbistümer, in London und York, errichtet werden, wobei Augustinus zum ersten Metropoliten erhoben wurde. Da sich die beiden vorgesehenen Städte jedoch noch dem Christentum verschlossen, sah sich Augustinus genötigt, seinen Sitz in Canterbury zu nehmen.
Wenn auch nach dem Tode König Ethelberts eine heidnische Reaktion alle Missionserfolge zunichte zu machen drohte, so setzte sich das Christentum in Kent dennoch unter König Eadbald endgültig durch. Einen entscheidenden Fortschritt konnte die römische Mission im Jahre 628 verbuchen, als es Paulinus, einem der Gefährten des Augustinus, gelang, König Edwin von Northumbria zur christlichen Lehre zu bekehren. Aber auch hier wurde der Missionserfolg zunächst wieder infrage gestellt, als der König in der Schlacht von Hatfield Chase (632) fiel. Die von der römischen Mission begonnene Christianisierung Northumbrias wurde jedoch bald darauf von der iroschottischen Missionsbewegung fortgesetzt, nachdem König Oswald im Jahre 635 den Mönch Aidan aus dem Inselkloster Iona ins Land gerufen hatte, der an der Küste Northumbrias das berühmte Kloster Lindisfarne (Holy Island) gründete. In der Folgezeit sollte sich die iroschottische Bewegung als noch erfolgreicher erweisen als die römische Mission im Süden, sodass von Norden her die neue Lehre nicht nur in Northumbria, sondern auch in Mercia, East Anglia und Essex weiter verbreitet wurde.
Mit diesen Erfolgen wuchsen jedoch auch die Spannungen zwischen den beiden Bewegungen, wobei sich als Hauptproblem für eine gemeinsame Missionsarbeit die jeweils unterschiedliche Berechnung des Osterdatums, des für den liturgischen Ablauf des Kirchenjahres zentralen Termins, herauskristallisierte. Der Streit wurde im Jahre 664 von einer Kirchenversammlung unter dem Vorsitz des northumbrischen Königs Oswiu in Whitby zugunsten der römischen Missionsbewegung entschieden, wodurch die Ausbildung einer einheitlichen angelsächsischen Landeskirche ermöglicht wurde, die sich von nun an als ein Teilglied der römischen Universalkirche verstand.
Universal-Lexikon. 2012.