Kleingruppenforschung,
empirische und zum Teil experimentell ausgerichtete Forschungsrichtung der (Mikro-)Soziologie und Sozialpsychologie. Kleingruppenforschung entwickelte sich im Anschluss an K. Lewin (Vorläufer: G. Simmel und L. von Wiese) in den USA der 1940er-Jahre und untersucht v. a. Fragen der Entstehung sozialer Kleingruppen (Phasen, Rollenzuteilungen, Zieldefinitionen), die Auswirkungen von Gruppenerfahrungen auf den Einzelnen (Konformitätsdruck einerseits, Stabilisierung andererseits), die in einem Gruppenzusammenhang stattfindenden und auf ihn zurückwirkenden Wahrnehmungs- und Kommunikationsvorgänge (Gruppendynamik, Soziometrie), die damit verbundenen leistungssteigernden oder -hemmenden Faktoren, schließlich die auch politisch bedeutsame Frage der Führung von Gruppen, z. B. in Bezug auf Führungsstil, Autorität und Manipulation. Unter anderem aufgrund der überschaubaren wissenschaftlichen Handhabbarkeit und der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten spielte dieser Ansatz bis weit in die 70er-Jahre eine große Rolle. Seit den 1980er-Jahren hat sich das sozialwissenschaftliche Interesse von der Kleingruppenforschung zur Untersuchung »sozialer Netzwerke« (Heiner Keupp, * 1943) und alltäglicher Interaktionszusammenhänge (Lebensweltsoziologie) verschoben, während das Gruppenkonzept v. a. in der psychotherapeutisch orientierten Beratungspraxis seine Anziehungskraft behalten hat (Gruppentherapie).
M. S. Olmsted: Die Kleingruppe (a. d. Amerikan., 21974);
H.-D. Schneider: K. (1975);
T. M. Mills: Soziologie der Gruppe (a. d. Amerikan., 51976);
R. Zoll u. E. Lippert: Die soziale Gruppe. Grundformen menschl. Zusammenlebens. Ein Lese- u. Arbeitsbuch, 2 Bde. (Neuausg. 1979-81).
Weitere Literatur: Gruppe.
Universal-Lexikon. 2012.