Bojaren
[russisch, vielleicht zu alttürkisch bai »vornehm«, »reich«],
1) im Kiewer Reich zuerst Angehörige der Gefolgschaft des Fürsten (Druschina), seit dem 12. Jahrhundert Angehörige der obersten Schicht der Gefolgsleute (Adel, Russland). Die Bojaren wurden im 12. und 13. Jahrhundert zu einem politisch einflussreichen Landadel mit Allodialbesitz (Wottschina) und dem Recht, dem Fürsten ihrer Wahl zu dienen. Im Mittelalter gab es neben der gehobenen Schicht der Bojaren die ärmeren »Bojarenkinder« (russisch deti bojarskie). Die erstarkenden Moskauer Großfürsten beschnitten, gestützt auf den Dienstadel (Dworjane), die Privilegien der Bojaren vom 15. Jahrhundert an und drückten sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Opritschnina) auf den Status von Dienstleuten herab. Die Bojaren haben sich nie zu einer ständischen Gegenkraft gegen den Herrscher entwickeln können, nur einzelne wurden zu Beratungen (Duma) hinzugezogen. Sie verschmolzen schließlich mit dem Dienstadel (Tschin). Der Rang wurde Anfang des 18. Jahrhunderts von Peter I., dem Großen, abgeschafft.
2) Bajorai, der sozial stark gegliederte litauische Adel mit einer breiten Schicht des niederen Dienstadels und den Magnaten oder »großen Bojaren«, die durch Privilegien der litauischen und polnischen Herrscher weit gehende Rechte erhielten; seit dem 16. Jahrhundert polonisiert.
3) Boljaren, bis ins 10. Jahrhundert Bezeichnung für den protobulgarischen, nichtslawischen Adel; 9.-14. Jahrhundert Adelstitel (u. a. Rat der Bojaren am Zarenhof).
4) Boierie, in den Fürstentümern Moldau und Walachei im 13. und 14. Jahrhundert Bezeichnung für die Grund besitzende Oberschicht des militärischen Dienstadels, der sich später in den hohen Dienstadel (Boieri de Sfat), den Hofadel (Boieri de Divan) und den Kleinadel (Boierinaşi) untergliederte. Vom 17. Jahrhundert bis zum Verlust ihrer Privilegien in der Verfassung von 1864 waren die Bojaren mit einem nichterblichen Staatsamt auch an der Verwaltung der Hospodare beteiligt.
Universal-Lexikon. 2012.