Affẹktenlehre,
1) Musik: die im Anschluss an Vorstellungen der Antike (Platon) entwickelte Lehre, wonach Musik Affekte (Gemütsbewegungen, Leidenschaften) sowohl darstellen als auch hervorrufen kann. Nachdem auch in der Spätantike, im Mittelalter und in der Frühneuzeit die Verbindung von Musik und Gemütszustand vielfach erörtert worden war, rückte die Affektenlehre im musikalischen Barock in den Mittelpunkt der Musikauffassung und -praxis. Das Ausdrücken der Affekte (»esprimere gli affetti«) beherrschte zukunftsweisend das kompositorische Denken der durch C. Monteverdi gekennzeichneten neuen Musik nach 1600 und wurde dann besonders durch M. Mersenne (ab 1634), A.Kircher (1650), A.Werckmeister (ab 1687) und J. Mattheson (1739) systematisch erfasst. Letzterer zählt etwa 20 Gemütsbewegungen auf und erläutert deren kompositorischen Nachahmung. Freudige Affekte z. B. werden u. a. durch Durtonarten, konsonante und große Intervalle abgebildet, traurige Affekte durch Molltonarten, enge Intervalle und Dissonanzen. In nachbarocker Zeit trat an die Stelle der Affektenlehre mit ihren Affektentypen mehr und mehr eine ästhetisch-psychologische Begründung des musikalischen Ausdrucks. Doch hat die musikalische Affektenlehre, die am radikalsten durch A.Schopenhauer überwunden und am intensivsten durch H. Kretzschmar (1911) wieder belebt wurde, Nachwirkungen bis in das musikalische Denken und Handeln der Gegenwart.
R. Dammann: Der Musikbegriff im dt. Barock (21984).
2) Psychologie: die Lehre von den Affekten.
Universal-Lexikon. 2012.