Wałęsa
[va'u̯ɛ̃sa], Leszek (Lech), polnischer Gewerkschafter und Politiker, * Popowo (Woiwodschaft Bromberg) 29. 9. 1943; Elektromonteur, beteiligte sich 1977/78 an der Gründung einer »Freien Gewerkschaft des Küstengebiets«. Im Zuge der großen Streikbewegung (ab Juli 1980) trat er als Vorsitzender des Streikkomitees der Leninwerft in Danzig im August 1980 an die Spitze eines überbetrieblichen Streikkomitees und setzte bei Verhandlungen mit der kommunistischen Regierung im Danziger Abkommen zentrale politische Forderungen durch (besonders Recht auf Bildung unabhängiger Gewerkschaften, Streikrecht). Im September 1980 wählte ihn die neu gegründete Gewerkschaftsorganisation Solidarność zu ihrem Vorsitzenden An ihrer Spitze gewann Wałęsa im In- und Ausland hohes Ansehen. Nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen (13. 12. 1981 verbot die polnische Regierung die Solidarność und stellte Wałęsa (bis November 1982) unter Hausarrest. 1983 erhielt dieser »als Exponent der aktiven Sehnsucht nach Frieden und Freiheit« den Friedensnobelpreis. Gestützt auf ein Mandat der (in der Illegalität weiterhin aktiven) Solidarność, erreichte er in einem »Gesellschaftsvertrag« (5. 4. 1989 mit der Regierung die Öffnung Polens zu stärker demokratisch-pluralistischen Strukturen und die Wiederzulassung der Solidarność (17. 4. 1989. Im Dezember 1990 wurde Wałęsa im zweiten Wahlgang mit 74,25 % der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt; den Vorsitz der Solidarność gab er im selben Jahr ab. Mit einer Stärkung des Präsidentenamtes suchte er zugleich die Reformkräfte zu unterstützen. Der Wahlsieg des von der Sozialdemokratie der Republik Polen (Nachfolgepartei der kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei) getragenen Linksbündnisses SLD im September 1993 bedeutete für seine Gesamtstrategie einen Rückschlag. Für ein starkes Präsidentenamt nach französischem Vorbild eintretend, geriet Wałęsa in scharfe Auseinandersetzungen mit Parlament und Regierung und entfremdete sich auch der Solidarność; außenpolitisch setzte er sich für den Beitritt seines Landes zur EU und zur NATO ein. Bei den Neuwahlen zum Amt des Staatspräsidenten am 19. 11. 1995 unterlag Wałęsa im zweiten Wahlgang (Stichwahl) A. Kwaśniewski. Im September 1998 wurde Wałęsa Vorsitzender der 1997 von ihm gegründeten Partei »Christdemokratie der Dritten Polnischen Republik«. Im August 2000 sprach ihn ein Sondergericht in Warschau von dem Verdacht frei, angeblich in den 1970er-Jahren unter dem Decknamen »Bolek« als Spitzel für den kommunistischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Als Präsidentschaftskandidat seiner Partei erhielt Wałęsa bei den Wahlen am 8. 10. 2000 nur noch 0,9 % der Stimmen; danach verkündete er seinen Rückzug aus der Politik.
J. Klechta: L. W. (a. d. Poln., 1992).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Polen: Der Weg zur parlamentarischen Demokratie
Universal-Lexikon. 2012.