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Öffentlicher Personennahverkehr
Nahverkehr; ÖPNV; Öffentliche Verkehrsmittel

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öffentlicher Personennahverkehr,
 
Abkürzung ÖPNV, die auf eine bestimmte Entfernung (in der Regel 50 km) beschränkte regelmäßige Beförderung von Personen durch spezielle Verkehrsunternehmen. Statistisch werden dem ÖPNV in Deutschland der Linienverkehr mit Straßenbahn, Stadtbahn, Hoch- und U-Bahn, Bus, O-Bus, Bahnen besonderer Bauart sowie ein Teil des Eisenbahnverkehrs (Berufs- und Schülerverkehr, S-Bahnverkehr, Personenverkehr bis 50 km) zugerechnet.
 
Anbieter dieser Beförderungsleistungen sind: 1) die Deutsche Bahn AG, die im ÖPNV etwa ein Drittel ihrer Leistung mit Bussen erbringt, 2) die kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Straßenverkehrsunternehmen einschließlich der nicht bundeseigenen Eisenbahngesellschaften, 3) die privaten Busunternehmen. Bezogen auf die gesamte Fahrgastzahl werden vom Verkehrsaufkommen des ÖPNV zwei Drittel durch die kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und 20 % durch die Deutsche Bahn AG erbracht. Der Geschäfts- beziehungsweise Dienstreiseverkehr und der Urlaubsverkehr spielen im ÖPNV nur eine geringe Rolle, ganz anders als der Berufs-, Ausbildungs- und Einkaufs- sowie teilweise der Freizeitverkehr. Die von den Berufs- und Ausbildungspendlern zu bestimmten Tageszeiten gehäuft entfaltete Beförderungsnachfrage ist eine Besonderheit des ÖPNV, auf die die Verkehrsunternehmen planerisch leichter reagieren können als auf die hinsichtlich Fahrtziel und Tageszeitpunkt uneinheitliche Nachfrage im Freizeitverkehr. Insgesamt fahren jährlich rd. 10 Mrd. Fahrgäste (27 Mio. je Tag) mit den Fahrzeugen des ÖPNV. Die Zusammenarbeit zwischen den Verkehrsunternehmen kann sich von der einfachen Fahrplanabstimmung und tariflicher Zusammenarbeit über Tarifgemeinschaften und Verkehrsgemeinschaften bis zu einem Verkehrsverbund erstrecken.
 
Die gesellschaftliche Bedeutung des ÖPNV liegt v. a. in seiner zentralen Rolle für die Stadtentwicklung sowie in einer durch ihn möglichen Verbesserung der Lebensqualität. Letztere ergibt sich aus der im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr geringeren Umweltbelastung (v. a. Energieeinsparung, geringerer Flächenbedarf). Damit zusammenhängend sind weiterhin zu nennen ein besserer Verkehrsfluss sowie weniger drastische Eingriffe in das Stadtbild.
 
Geschichte:
 
Eine Frühform des ÖPNV stellt der von B. Pascal angeregte, mit Pferdewagen 1662-77 in Paris betriebene Beförderungsdienst dar. 1825 entstand in Nantes ein ähnliches Unternehmen, mit dem auch die Bezeichnung Omnibus aufkam. Wichtige Impulse gingen von den Eisenbahnen (1825 Stockton-Darlington), den Pferdebahnen (1832 New York, 1864 Hamburg), den U-Bahnen (1863 London, zunächst dampfbetrieben, ab 1890 elektrisch), den elektrischen Straßenbahnen (1881 Berlin) sowie den Omnibuslinien (1895 zwischen Siegen, Netphen und Deuz) aus. - Nach einem Rückgang Anfang der 1980er-Jahre nimmt die Beförderungsleistung des ÖPNV in den alten Bundesländern seit Ende der 80er-Jahre wieder deutlich zu (um 20 %). In den neuen Bundesländern konnte der starke Rückgang infolge der gewachsenen Motorisierung nach der deutschen Einheit bereits 1993 gestoppt werden, und es sind seitdem wieder steigende Beförderungsleistungen zu verzeichnen. Es wird in diesem Zusammenhang von einer Trendwende zugunsten des ÖPNV gesprochen. Hierzu dürfte neben der Zunahme der Verkehrsdichte und einem gestiegenen Umweltbewusstsein auch das offensivere Marketing der ÖPNV-Unternehmen mit attraktiven neuen Fahrzeugen, modernen Verkehrsbauten, marktorientierten Tarifangeboten (Job-, Umwelt-, Semesterticket), kundennahen Vertriebssystemen und verbesserter Fahrgastinformation beigetragen haben. Strukturelle Veränderungen des ÖPNV, die Chancen für neue kundennahe Angebote eröffnen, ergeben sich aus der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs der Deutschen Bahn AG und der per EU-Richtlinie geforderten öffentlichen Ausschreibung nicht nur im Rahmen der betrieblichen Beschaffung, sondern auch von ÖPNV-Linien, insofern die öffentliche Hand als Auftraggeber auftritt.
 
Literatur:
 
Stadtverkehr 2000. Chancen des öffentl. Nahverkehrs - Notwendigkeiten zur Veränderung?, hg. v. der Studiengesellschaft Nahverkehr mbH, Berlin (21990);
 
Busse + Bahnen. Mobilität für Menschen u. Güter. 1895-1995. 100 Jahre VDV, hg. v. G. Girnau u. F. Bihn (1995);
 
Zukunftsfähige Mobilität. Menschen bewegen. ÖPNV in Dtl., hg. v. G. Girnau u. a. (1997).

Universal-Lexikon. 2012.