Kirchenreform
Eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern - dieses Ziel hatten schon die Konzilien des 15. Jahrhunderts angestrebt. Zwar war die äußere Einheit der abendländischen Christenheit nach dem großen Schisma wiederhergestellt worden, aber eine grundlegende Neuordnung der kirchlichen Institutionen war nicht zuletzt am Widerstand des Papsttums gescheitert, das seine Autorität gegenüber den Konzilsvätern bedroht sah (siehe auch Konstanzer Konzil). Während die Renaissancepäpste mit dem Ausbau des Kirchenstaats ihre weltliche Machtstellung festigten, räumten sie in mehreren Konkordaten den europäischen Herrschern Sonderrechte in den Kirchen ihrer Länder ein. Auch mit Kaiser Friedrich III. kam 1448 ein Konkordat zustande, bei dem die Reichsfürsten allerdings Änderungen zu ihren Gunsten durchsetzten. Schon damit war der Weg zu dem später in den evangelischen Territorien eingerichteten landesherrlichen Kirchenregiment beschritten. Trotzdem blieb in Deutschland der Einfluss Roms stärker als in den westeuropäischen Ländern. Daher war man hier auch mehr als anderswo geneigt, die Kurie als Wurzel aller Übel in der Christenheit zu betrachten. Besonders erregte der steigende Geldbedarf der Päpste, bedingt durch die umfangreichen Bauvorhaben, die luxuriöse Hofhaltung und die Kosten für die Kriegführung des Kirchenstaats, allgemeines Ärgernis, da die Kurie für die Vergabe von Pfründen, für Dispense, Ablässe und anderes immer neue Gebühren und Abgaben einführte. Darüber hinaus führte man Klage über die päpstliche Verwaltungspraxis und Gerichtsbarkeit. Alle diese Kritikpunkte wurden erstmals 1456 als »Gravamina (= Beschwerden) der deutschen Nation« auf einem Kurfürstentag in Frankfurt vorgetragen und dann in ähnlicher Form immer erneut, aber vergeblich wiederholt. 1520 griff Luther die Gravamina in seiner Schrift »An den christlichen Adel deutscher Nation« auf.
Doch nicht nur diese papstfeindliche Tendenz kam schließlich in der Reformation zum Tragen, sondern allgemein ein gerade in einer Zeit gesteigerter Religiosität verbreitetes Unbehagen an der »Anstaltskirche«, in der kirchliche Ämter in erster Linie als Einnahmequelle erstrebt wurden, in der oft mehrere Pfründen in einer Hand vereinigt waren, während die geistlichen Pflichten von mangelhaft ausgebildeten und schlecht bezahlten Vikaren versehen wurden, und in der selbst die Gnadenmittel mit einem gehörigen Maß Geschäftstüchtigkeit verwaltet wurden. Nicht zufällig war der Ablasshandel auslösendes Moment der Reformation.
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Kịr|chen|re|form, die: Reform der ↑Kirche (3, 4).
Universal-Lexikon. 2012.