Heldenbuch,
seit dem Spätmittelalter gebrauchter Begriff für eine handschriftliche oder gedruckte Sammlung von Heldendichtungen. Überliefert sind 1) Fragmente aus der Zeit um 1300 (»Ortnit«, »Wolfdietrich«, »Virginal«, »Eckenlied«). 2) Das Dresdner Heldenbuch (so genannt nach seinem heutigen Aufbewahrungsort); es wurde 1472 für Herzog Balthasar von Mecklenburg (* 1451, ✝ 1507) von zwei Schreibern angelegt; von der Hand Kaspars von der Rhön stammen »Eckenlied«, »Der Wormser Rosengarten«, »Sigenot«, »Wunderer«, »Herzog Ernst«, »Laurin«, von einem Ungenannten (in teilweise verkürzenden Umarbeitungen) »Ortnit«, »Wolfdietrich«, »Virginal«, das »Jüngere Hildebrandslied« und das Gedicht »Meerwunder«. 3) Linhart Scheubels Heldenbuch (1480/90; nach einem Besitzervermerk, auch Piaristenhandschrift; heute Wien, Österreichische Nationalbibliothek); es enthält »Virginal«, »Anteloy«, »Ortnit«, »Wolfdietrich«, das »Nibelungenlied« und den »Lorengel« und unterscheidet sich somit von anderen Heldenbüchern durch seine Auswahl, die v. a. das Interesse an Kampf, Prachtentfaltung und sentimentaler Liebesdarstellung widerspiegelt. 4) Heldenbuch des Diepolt von Hanowe (um 1480, 1870 verbrannt), enthielt eine Vorrede, »Ortnit«, »Wolfdietrich«, »Rosengarten«, »Laurin«, »Sigenot«. 5) Das gedruckte Heldenbuch, auch Straßburger Heldenbuch (zuerst in Straßburg 1477 (?), dann bis 1590 sechsmal gedruckt); es entspricht im Inhalt größtenteils dem Heldenbuch des Diepolt. Der Erstdruck ist mit bedeutenden Holzschnitten geschmückt. 6) Das Ambraser Heldenbuch (benannt nach dem früheren Aufbewahrungsort im Schloss Ambras bei Innsbruck; heute Wien, Österreichische Nationalbibliothek); es wurde zum Teil nach der mutmaßlichen Vorlage des verlorenen »Heldenbuchs an der Etsch« im Auftrag Kaiser Maximilians I. zwischen 1504 und 1516 von Hans Ried geschrieben. Dieses Heldenbuch geht im heldenep. Teil wohl auf ein älteres Heldenbuch zurück, bewahrt aber nicht nur Heldenepik (»Dietrichs Flucht«, »Rabenschlacht«, »Nibelungenlied«, »Biterolf«, »Ortnit«, »Wolfdietrich«), sondern auch höfische Epen, so Hartmann von Aues »Erec« und »Iwein«, Verserzählungen und Schwänke wie des Strickers »Frauenehre« und »Pfaffe Amis«, Wernhers »Meier Helmbrecht«. 17 der 25 in diesem Heldenbuch aufgezeichneten Texte sind allein hier überliefert, u. a. Hartmanns »Erec«, Wolfram von Eschenbachs »Titurel« sowie »Moriz von Craûn«, »Kudrun«, »Biterolf und Dietleib«.
Ausgaben: Heldenbuch. Altdeutsche Heldenlieder aus dem Sagenkreise Dietrichs von Bern und der Nibelungen, herausgegeben von F. H. von der Hagen, 2 Bände (1855, Nachdruck 1977 in 1 Band); Das kleine Heldenbuch, herausgegeben von K. Simrock (1859); Das Heldenbuch, herausgegeben von demselben, 6 Bände (2-521863-93); Deutsches Helden- und Ehrenbuch, herausgegeben von O. Jänicke u. a., 5 Bände (1866-73).
Dresdner Heldenbuch: Altdeutsche Gedichte des Mittelalters, Band 2: Das Heldenbuch in der Ursprache, herausgegeben von F. H. von der Hagen u. a. (1820).
Straßburger Heldenbuch: Das deutsche Heldenbuch, herausgegeben von A. von Keller (1867, Nachdruck 1966).
P. J. Becker: Handschriften u. Frühdrucke mhd. Epen (1977).
Universal-Lexikon. 2012.