Moralsysteme,
katholische Theologiegeschichte: Systematisierungen von Regeln, nach denen die Frage beantwortet wird, ob in einem unklaren Gewissensfall, wenn mehrere anerkannte Normen der Moraltheologie gegeneinander stehen, der Handelnde sich zugunsten seiner Freiheit entscheiden darf. Das Problem entzündete sich im 17./18. Jahrhundert an dem Satz »Lex dubia non obligat« (lateinisch »Ein zweifelhaftes Gesetz verpflichtet nicht«). Als extreme Lösungsversuche standen sich der absolute Tutiorismus und der Laxismus gegenüber, denen beiden vom katholischen Lehramt widersprochen wurde. Der Probabilismus sieht ein Gesetz dann als zweifelhaft an, wenn gute (lateinisch probabilis »glaubwürdige«) Gründe gegen seine Geltung sprechen. Davon abgeleitet sind der Probabiliorismus oder gemäßigte Tutiorismus, der nur sehr schwere Gründe anerkennt, sowie der u. a. von E. Amort und A. di Liguori vertretene Äquiprobabilismus, der ein Abwägen bei gleich schweren Gründen für oder gegen die freie Entscheidung beziehungsweise die Gesetzesbefolgung vertritt.
Universal-Lexikon. 2012.