Medwẹdjew,
Medvẹdev [-djef],
1) Roy Aleksandrowitsch, russischer Pädagoge und Historiker, * Tiflis 14. 11. 1925, Zwillingsbruder von 2); wurde 1956 Mitglied der KPdSU, war 1960-71 an der Akademie für pädagogische Wissenschaften in Moskau tätig. 1964-70 gab er zusammen mit seinem Bruder die Untergrundzeitschrift »Politisches Tagebuch« heraus. Familiär von den stalinschen Säuberungen betroffen (1941 Tod seines 1938 verhafteten Vaters in einem Arbeitslager), begann er in den 60er-Jahren, die Geschichte des Stalinismus aufzuarbeiten, und wandte sich gegen Tendenzen, Stalin zu rehabilitieren (besonders durch die 1968 in Paris veröffentlichte Schrift »Faut-il réhabiliter Staline?«). Daraufhin wurde er 1969 aus der Partei ausgeschlossen. Nach der 1970 erfolgten Zwangseinweisung seines Bruders in eine psychiatrische Klinik startete er eine Kampagne gegen den Missbrauch der Psychiatrie zu politischen Zwecken. Ab 1972 freier Publizist, verfasste er v. a. (bis in die zweite Hälfte der 80er-Jahre nur im Ausland publizierte) biographische Studien über Persönlichkeiten der sowjetischen Zeitgeschichte, u. a. über N. S. Chruschtschow, N. I. Bucharin, M. Scholochow, L. I. Breschnew, J. W. Andropow. Medwedjew unterstützte die Reformbemühungen M. S. Gorbatschows. 1989 wurde Medwedjew in den Kongress der Volksdeputierten gewählt und war 1990-91 Mitglied des ZK der KPdSU; 1991 schloss er sich der »Sozialistischen Partei der Werktätigen« an. 1992 erschien sein dreibändiges Werk »Das Urteil der Geschichte. Stalin und Stalinismus«.
2) Schores Aleksandrowitsch, russischer Biologe und Publizist, * Tiflis 14. 11. 1925, Zwillingsbruder von 1); 1963-70 Direktor des Molekular-radiobiologischen Laboratoriums in Obninsk; beschrieb in seinem Buch »Der Fall Lyssenko« (1969) die diktatorischen Methoden stalinistischer Wissenschafts-Lenkung. 1970 wurde er - aufgrund seiner systemkritischen Haltung - in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und erst nach öffentlichen Protesten (u. a. seines Bruders) wieder freigelassen. Nach seiner Ausreise nach London (1973) wurde ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt (1990 aufgehoben).
Universal-Lexikon. 2012.